BAG, Urteil vom 20. Mai 2025 – 1 AZR 35/24
- Die Sperrwirkung von § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG kommt nicht zum Tragen, soweit
eine Betriebsvereinbarung Angelegenheiten betrifft, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der
erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (Rn. 18). - Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die Einführung von abstrakt-generellen
Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts wird vom Mitbestimmungsrecht nicht erfasst
(Rn. 20). - Im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers unterliegt sowohl die Einführung
als auch die Änderung der im Betrieb für die Verteilung der Gesamtvergütung
aufgestellten Entlohnungsgrundsätze dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1
Nr. 10 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht wird durch den Tarifvorbehalt des § 87
Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG weder beschränkt noch ausgeschlossen (Rn. 21). - Die Ladung eines Ersatzmitglieds zu einer Betriebsratssitzung nach § 29 Abs. 2
Satz 6 BetrVG hat rechtzeitig iSv. § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zu erfolgen. Ob dies im
Fall einer kurzfristigen Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds noch möglich ist, richtet
sich nach den objektiven Umständen des Einzelfalls. Dem Betriebsratsvorsitzenden
steht hierbei ein weiter Beurteilungsspielraum zu (Rn. 26 ff.). - Wird dem Betriebsratsvorsitzenden die Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds
erst im Lauf des Tags bekannt, an dem die Betriebsratssitzung stattfinden soll, darf er
regelmäßig annehmen, dass die rechtzeitige Nachladung eines Ersatzmitglieds nicht
mehr möglich ist (Rn. 30). - Ein Betriebsratsbeschluss, durch den der Abschluss einer Betriebsvereinbarung genehmigt
werden soll, wirkt entsprechend § 184 Abs. 1 BGB auf den Abschlusszeitpunkt
zurück. Die damit verbundene rückwirkende Geltung der Normen begegnet keinen
Bedenken im Hinblick auf Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit (Rn. 32). - Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen ist typischerweise
deklaratorischer Natur. Die Arbeitsvertragsparteien wollen mit einer solchen
Verweisung regelmäßig nur klarstellen, dass die – nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar
und zwingend geltenden – Betriebsvereinbarungen auch für ihr Arbeitsverhältnis
gelten (Rn. 33).
(Orientierungssätze)