Der BGH hat mit Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20 – über einen Fall entschieden, in dem der Fahrzeugkäufer im Jahr 2015 Kenntnis davon erlangt hat, dass sein Fahrzeug vom sog. Dieselskandal betroffen ist, aber erst 2019 Schadensersatzklage gegen den Hersteller erhoben hat. Der Senat hat in diesem Fall Schadensersatzansprüche als verjährt angesehen.
Die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren erforderliche Kenntnis des Geschädigten von den den Anspruch begründenden Umständen ist vorhanden, wenn ihm die Erhebung einer Schadensersatzklage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich und zumutbar ist. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger bereits 2015 Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hatte, die einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB begründen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger 2015 von dem sog. Dieselskandal allgemein und von der Betroffenheit seines Dieselfahrzeugs Kenntnis. Er wusste, dass sein Fahrzeug als eines von mehreren Millionen VW-Dieselfahrzeugen mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet war, die so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden, und dass das Kraftfahrtbundesamt der Beklagten deshalb eine Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge aufgab. Naturgemäß war dem Kläger weiter bekannt, ob er beim Kauf des Fahrzeugs die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben als selbstverständlich vorausgesetzt hatte und ob er das Fahrzeug auch gekauft hätte, wenn er von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung und den damit möglicherweise verbundenen Konsequenzen gewusst hätte. Die dem Kläger bekannten Tatsachen reichten aus, den Schluss nahe zu legen, dass der Einbau der Motorsteuerungssoftware, die nach ihrer Funktionsweise ersichtlich auf Täuschung der zuständigen Genehmigungsbehörde abzielte, auf einer am Kosten- und Gewinninteresse ausgerichteten Strategieentscheidung beruhte. Denn die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung betraf die grundlegende strategische Frage, mit Hilfe welcher technischen Lösung die Beklagte die Einhaltung der – im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren – Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte. Sie wirkte sich auf die Produktion von mehreren Millionen Fahrzeugen aus und war mit weitreichenden Konsequenzen, nicht zuletzt enormen Risiken, verbunden. Aus denselben Gründen war es weiter naheliegend, dass eine solche Strategieentscheidung nicht etwa von einem untergeordneten Mitarbeiter im Alleingang, sondern von einem Vorstand oder einem sonstigen verfassungsmäßig berufenen Vertreter, dessen Verhalten der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist, getroffen oder jedenfalls gebilligt worden war.
Für die Zumutbarkeit der Klageerhebung und damit den Beginn der Verjährungsfrist bedurfte es nicht näherer Kenntnis des Klägers von den „internen Verantwortlichkeiten“ im Hause der Beklagten. Insbesondere war es nicht erforderlich, die Verwirklichung des Tatbestands des § 826 BGB zuverlässig einer namentlich benannten Person im Hause der Beklagten zuzuordnen. Nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sekundären Darlegungslast kann das Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden vom Kläger keinen näheren Vortrag dazu verlangen, welche konkrete bei der Beklagten tätige Person das sittenwidrige Verhalten an den Tag gelegt hat.
Darauf, ob der Kläger bereits 2015 aus den ihn bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zog, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB herleitete, kommt es nicht an. Der eng begrenzte Ausnahmefall, dass die Erhebung einer (Feststellungs-)Klage wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage unzumutbar war und der Verjährungsbeginn daher hinausgeschoben wurde, liegt hier nicht vor. Ausgehend von der schon bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 826 BGB (insbesondere zu Sittenwidrigkeit und Schaden) sowie zur sekundären Darlegungslast war schon 2015 erkennbar, dass sich diese Rechtsprechung auf die hier vorliegende Fallkonstellation übertragen lassen würde, so dass die Rechtsverfolgung schon 2015 hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach und zumutbar war.
(PM BGH Nr. 163/2020 vom 17.12.2020)