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BAG: Insolvenz Air Berlin – ordentliche betriebsbedingte Nachkündigung – Massenentlassung – aufgelöste Betriebsstruktur 

Das BAG hat mit Urteil vom 8.11.2022 – 6 AZR 15/22 – wie folgt entschieden:  

1. Die im Rahmen der Air-Berlin-Insolvenz vom Insolvenzverwalter betreffend das Kabinenpersonal erklärten Nachkündigungen vom 27. August 2020 sind wirksam, soweit dem nicht besondere Umstände des Einzelfalls entgegenstehen. Die Kündigungen sind wegen der bereits vollzogenen Stilllegung des gesamten Flugbetriebs sozial gerechtfertigt (Rn. 32 ff.). 

2. Die vormals von Air Berlin an verschiedenen Flughäfen betriebenen Stationen sind ungeachtet ihrer zwischenzeitlichen Stilllegung als Betriebe im Sinne von § 17 Abs. 1 KSchG anzusehen. Eine Zuordnung der dort jeweils eingesetzten Beschäftigten zu einem anderen Betrieb erfolgte nicht mehr (Rn. 48). 

3. Bezüglich der früheren Station Düsseldorf handelt es sich bei den Nachkündigungen um eine Massenentlassung. Das Massenentlassungsverfahren wurde jedenfalls insoweit ordnungsgemäß durchgeführt, als es für die Wirksamkeit der Kündigungen von Bedeutung ist. Die Massenentlassungsanzeige war bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf zu erstatten. In Düsseldorf befand sich der Betrieb der Schuldnerin und dort traten nach der Vorstellung des Gesetzgebers die sozioökonomischen Auswirkungen der Massenentlassung ein, so dass das Massenentlassungsverfahren in der aufgelösten Betriebsstruktur durchzuführen war. Für die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit macht es keinen Unterschied, ob der Betrieb noch existiert oder nicht (Rn. 68 ff.). 

4. Bei Einleitung des Konsultationsverfahrens genügt es nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG, wenn als Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, der beabsichtigte Monat der Kündigungserklärungen mitgeteilt wird. Abhängig vom Verlauf des Konsultationsverfahrens und des Planungsstands kann der Arbeitgeber später zur Aktualisierung seiner Angaben verpflichtet sein (Rn. 55 ff.). 

5. Ein etwaiger Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG, wonach der Arbeitgeber dem Betriebsrat eine Abschrift der gegenüber der Agentur für Arbeit erstatteten Massenentlassungsanzeige zuzuleiten hat, führt nicht gemäß § 134 BGB zur Unwirksamkeit der betroffenen Kündigungen. Die Vorschrift dient lediglich der Information des Betriebsrats (Rn. 79 ff.).

(Orientierungssätze)