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BAG: Urlaub – Langzeiterkrankung – Mitwirkungsobliegenheiten

Das BAG hat mit Urteil vom 7.9.2021 – 9 AZR 3/21 (A) – wie folgt entschieden:

1.   Die  Befristung  des  gesetzlichen  Urlaubsanspruchs  nach  § 7  Abs. 3  BUrlG  setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber seinen aus § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG resultierenden  Mitwirkungsobliegenheiten  bei  der  Verwirklichung  des  Urlaubsanspruchs genügt, indem er den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahrs  oder  Übertragungszeitraums  verfällt,  wenn  er  ihn  nicht  beantragt (Rn. 26).

2. Die  Aufforderungs-  und  Hinweisobliegenheiten  des  Arbeitgebers  bestehen  auch, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist (Rn. 27).

3. Der gesetzliche Urlaubsanspruch eines seit Beginn oder im Verlauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers erlischt gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig erfüllt hat (Rn. 23 f.).

4. Ist der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen, erlischt der gesetzliche Urlaubsanspruch ebenfalls gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs, sofern es dem Arbeitnehmer, allein weil er bis zu diesem Zeitpunkt durchgehend  krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, nicht möglich war, den Urlaub  (vollständig) zu nehmen. In diesem Fall ist nicht die unterlassene Mitwirkung des Arbeitgebers, sondern die Arbeitsunfähigkeit kausal für die  fehlende  Möglichkeit  des  Arbeitnehmers,  den  Urlaubsanspruch  zu  realisieren (Rn. 28 ff.).

5. Die Frage, ob das Unionsrecht das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei einer ununterbrochen fortbestehenden Erkrankung des Arbeitnehmers 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs oder einer längeren Frist auch dann gestattet, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können, hängt von der Auslegung des Unionsrechts ab. Sie ist Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens, das der Neunten Senats nach Art. 267 AEUV mit Beschluss vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet hat (Rn. 47).

6. In entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO kann ein Rechtsstreit ausgesetzt werden, wenn entscheidungserheblich ist, wie Unionsrecht auszulegen ist, und zu dieser Frage bereits ein Vorabentscheidungsersuchen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist (Rn. 42 ff.).

7. Weist der Arbeitgeber in einer Entgeltabrechnung – über die Pflichtangaben nach § 108 Abs. 1 Satz 2 und 3 GewO hinausgehend – eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen aus und saldiert genommene und offene Urlaubstage fortlaufend, handelt es sich regelmäßig um eine Wissenserklärung und nicht um eine Willenserklärung, die auf eine Bestätigung oder Veränderung der Rechtslage gerichtet ist (Rn. 39).

(Orientierungssätze)