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BAG: Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG – erfolgloser Bewerber – Einladung zum Vorstellungsgespräch – Vermutung der Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung

Das BAG hat mit Urteil vom 1.7.2021 – 8 AZR 297/20

1. Ein Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 165 Satz 3 SGB IX geregelte Pflicht zur Einladung eines/einer schwerbehinderten oder diesem/dieser gleichgestellten Bewerbers/Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch lässt regelmäßig auf eine Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung schließen (Rn. 21, 31).

2. Verkörperte Einladungen eines öffentlichen Arbeitgebers zu einem Vorstellungsgespräch müssen dem/der schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Bewerber/in grundsätzlich in entsprechender Anwendung von § 130 BGB zugehen. Die verkörperte Einladung muss danach in verkehrsüblicher Weise so in die tatsächliche Verfügungsgewalt der sich bewerbenden Person gelangen, dass für diese unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von der Einladung Kenntnis zu nehmen (Rn. 29).

3. Der klagenden Partei obliegt es nach  § 22 AGG, Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung  wegen  eines  in  § 1  AGG  genannten  Grundes  vermuten  lassen (Rn. 19, 33 ff.).

4. Kann die sich bewerbende Person insoweit aus eigener Kenntnis keine Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen in der Sphäre des Arbeitgebers machen, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast (Rn. 35).

5. Allein der Umstand, dass eine schriftliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch der sich bewerbenden schwerbehinderten oder gleichgestellten Person nicht zugegangen ist entsprechend § 130 BGB, begründet für sich genommen nicht die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass die (Schwer-)Behinderung bzw. Gleichstellung mitursächlich für die erfahrene Benachteiligung ist (Rn. 25 ff., 30 f.).

6. Etwas anderes gilt dann, wenn der Arbeitgeber nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang einer Einladung bei dem/der schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Bewerber/in zu bewirken (Rn. 30 ff.).  

7. Eine bestimmte Form oder eine bestimmte Art der Übermittlung für die Einladung zum Vorstellungsgespräch verlangt § 165 Satz 3 SGB IX nicht (Rn. 45).

(Orientierungssätze)