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BAG: Tariflicher Einigungsstellenspruch – Teilanfechtung – Mitbestimmung des Betriebsrats bei Entlohnungsgrundsätzen – Tarifvorbehalt – Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle – Zuleitungsgebot

BAG, Beschluss vom 20. Mai 2025 – 1 ABR 11/24

  1. Ein an einem Beschlussverfahren Beteiligter ist durch eine gerichtliche Entscheidung
    auch dann beschwert, wenn er eine Abweisung des vom Antragsteller angebrachten
    Antrags als unbegründet erstrebt hat, das Gericht den Antrag aber bereits
    als unzulässig abgewiesen hat (Rn. 15).
  2. Die Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs kann sich auf einen Teil des Spruchs
    beschränken, soweit es sich hierbei um ein selbständig feststellbares Teilrechtsverhältnis
    handelt und die Betriebsparteien die übrigen Regelungen übereinstimmend gelten
    lassen wollen (Rn. 20).
  3. Nach § 76 Abs. 8 BetrVG kann in einem Tarifvertrag vereinbart werden, dass an die
    Stelle der betrieblichen Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt, deren
    Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt. Für die Geltung
    einer solchen Tarifnorm genügt es nach § 3 Abs. 2 TVG, wenn der Arbeitgeber an den
    Tarifvertrag gebunden ist (Rn. 30).
  4. Um der Einigungsstelle eine Spruchkompetenz vermitteln zu können, muss deren
    Regelungsauftrag so gefasst sein, dass hinreichend klar ist, über welchen Gegenstand
    die Einigungsstelle verhandeln und ggf. durch Spruch befinden soll (Rn. 32).
  5. Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers ist das Mitbestimmungsrecht des
    Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG durch den Tarifvorbehalt in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs.
    BetrVG nur ausgeschlossen, soweit die Tarifvertragsparteien über die
    mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst eine zwingende und abschließende inhaltliche
    Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts
    Genüge getan haben (Rn. 36).
  6. Der Betriebsrat hat im Betrieb eines an das Entgeltrahmenabkommen in der Metallund
    Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ERA NRW) gebundenen
    Arbeitgebers nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Entscheidung mitzubestimmen,
    ob die Arbeitnehmer nach § 5 Nr. 1 ERA NRW im Zeit- oder im Leistungsentgelt
    vergütet werden sollen. Der Tarifvertrag enthält keine Regelung, die dieses
    Mitbestimmungsrecht ausschließt (Rn. 37 ff.).
  7. Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung, ob eine Einigungsstelle ihr Regelungsermessen
    iSv. § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG überschritten hat, ist ausschließlich die von ihr
    getroffene Regelung als solche. Eine Überschreitung der Ermessensgrenzen iSv. § 76
    Abs. 5 Satz 4 BetrVG muss damit – als Ergebnis des Abwägungsvorgangs – in der Regelung
    selbst liegen (Rn. 43).
  8. Ein Einigungsstellenspruch genügt den formalen Vorgaben des § 76 Abs. 3 Satz 4
    BetrVG nicht, wenn der Spruch, der den Betriebsparteien vom Einigungsstellenvorsitzenden
    mit Zuleitungswillen übermittelt wurde, im Vergleich zu dem von der Einigungsstelle
    beschlossenen nicht alle Bestandteile enthält und damit unvollständig ist
    (Rn. 51 f.).

(Orientierungssätze)