BAG, Urteil vom 19. Februar 2025 – 10 AZR 57/24
- Die Berechtigung des Arbeitgebers, die Ziele zur Erreichung einer erfolgsabhängigen
variablen Vergütung im Wege der einseitigen Leistungsbestimmung iSv. § 315
Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen vorzugeben (sog. Zielvorgabe), kann sich aus
vertraglichen oder aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben. Sie kann grundsätzlich
auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB und
in sog. Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB wirksam vereinbart werden
(Rn. 15). - Der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber eine Zielvorgabe vornehmen muss, ergibt
sich regelmäßig aus den Vereinbarungen der Parteien oder für das Arbeitsverhältnis
geltenden kollektivrechtlichen Bestimmungen (Rn. 17). - Nach Ablauf der Zielperiode ist die Festlegung von Zielen durch eine Zielvorgabe – wie eine Zielvereinbarung – unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB. Ob eine Zielvorgabe bereits unmöglich ist, wenn der für die Leistungsbestimmung vertraglich oder kollektivrechtlich vorgegebene Zeitpunkt verstrichen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere dem Inhalt der jeweiligen vertraglichen Abreden und ggf. normativ geltenden Regelungen sowie dem Sinn und Zweck der Leistungsbestimmung und der Interessenlage der Parteien (Rn. 17 ff.).
- Eine nachträgliche Zielvorgabe durch den Arbeitgeber ist jedenfalls dann unmöglich,
wenn so erhebliche Teile der Zielperiode abgelaufen sind, dass die Anreiz-, Motivations-
und Steuerungsfunktion nicht mehr erfüllt werden und der Arbeitnehmer seine
Arbeitsleistung nicht mehr in ausreichendem Maß an den Zielen orientieren kann. In
diesem Fall scheidet auch eine Zielvorgabe im Wege der Ersatzleistungsbestimmung
durch Urteil nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB aus (Rn. 17 f.). - Hat der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung verstoßen,
dem Arbeitnehmer rechtzeitig Ziele vorzugeben, löst dies grundsätzlich einen
Anspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1, 3 iVm. § 283 Satz 1 BGB auf Schadensersatz
statt der Leistung aus (Rn. 39 ff.). - Grundlage für die im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO) zu ermittelnde Höhe
des zu ersetzenden Schadens ist nach § 252 Satz 2 BGB die für den Fall der Zielerreichung
zugesagte variable Vergütung. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein
Arbeitnehmer die vorgegebenen Ziele erreicht hätte. Der Arbeitgeber hat besondere
Umstände, die diese Annahme ausschließen, darzutun und ggf. zu beweisen. Macht
der Arbeitnehmer geltend, die gesetzten Ziele bei gewöhnlichem Lauf der Dinge übertroffen
zu haben, hat er die hierfür sprechenden Umstände darzulegen und im Fall
eines substantiierten Bestreitens durch den Arbeitgeber zu beweisen (Rn. 50). - Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein
Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil
allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt (Rn. 61 ff.).
(Orientierungssätze)