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EuGH: Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung zur Sicherstellung der Interoperabilität seiner Plattform mit einer App eines anderen Unternehmens, die dadurch attraktiver würde, kann missbräuchlich sein

EuGH, Urteil vom 25.2.2025 – C-233/23

1. Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, das eine digitale Plattform entwickelt hat, auf Ersuchen eines Drittunternehmens die Interoperabilität dieser Plattform mit einer von diesem Drittunternehmen entwickelten Anwendung zu gewährleisten, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, obwohl diese Plattform für die kommerzielle Nutzung der Anwendung auf einem nachgelagerten Markt zwar nicht unerlässlich ist, aber geeignet ist, diese Anwendung für die Verbraucher attraktiver zu machen, wenn diese Plattform von dem Unternehmen in beherrschender Stellung nicht ausschließlich für die Zwecke seiner eigenen Tätigkeit entwickelt wurde.

2. Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass sowohl das Unternehmen, das eine Anwendung entwickelt und ein Unternehmen in beherrschender Stellung ersucht hat, die Interoperabilität dieser Anwendung mit der digitalen Plattform, deren Inhaber das beherrschende Unternehmen ist, zu gewährleisten, als auch die Wettbewerber des ersten Unternehmens auf dem Markt, zu dem diese Anwendung gehört, tätig geblieben sind und ihre Stellung auf diesem Markt ausgebaut haben, obwohl sie eine solche Interoperabilität nicht nutzen konnten, für sich allein nicht darauf hindeuten kann, dass die Weigerung des Unternehmens in beherrschender Stellung, diesem Ersuchen nachzukommen, keine wettbewerbswidrigen Auswirkungen haben konnte. Unter Berücksichtigung aller relevanten tatsächlichen Umstände ist zu prüfen, ob diese Verhaltensweise des Unternehmens in beherrschender Stellung geeignet war, die Aufrechterhaltung oder Entwicklung des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt zu behindern.

3. Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass, wenn ein Verhalten, das darin besteht, dass sich ein Unternehmen in beherrschender Stellung weigert, die Interoperabilität einer von einem Drittunternehmen entwickelten Anwendung mit einer digitalen Plattform, deren Inhaber das Unternehmen in beherrschender Stellung ist, zu gewährleisten, als Missbrauch im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, das letztgenannte Unternehmen sich als objektive Rechtfertigung für seine Weigerung mit Erfolg darauf berufen kann, dass es zu dem Zeitpunkt, zu dem das Drittunternehmen um einen solchen Zugang ersucht hat, kein Template gab, das die Interoperabilität gewährleisten kann, wenn die Gewährung einer solchen Interoperabilität mittels dieses Templates für sich genommen und in Anbetracht der Eigenschaften der Anwendung, für die die Interoperabilität beantragt wird, die Integrität der betreffenden Plattform oder die Sicherheit ihrer Benutzung gefährden würde oder wenn es aus anderen technischen Gründen unmöglich wäre, diese Interoperabilität durch die Entwicklung dieses Templates zu gewährleisten. Ist dies nicht der Fall, ist das Unternehmen in beherrschender Stellung verpflichtet, ein solches Template innerhalb eines hierfür erforderlichen angemessenen Zeitraums und gegebenenfalls gegen eine angemessene finanzielle Gegenleistung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Drittunternehmens, das um diese Entwicklung ersucht hat, der tatsächlichen Kosten dieser Entwicklung und des Rechts des Unternehmens in beherrschender Stellung, daraus einen angemessenen Nutzen zu erzielen, zu entwickeln.

4. Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass sich eine Wettbewerbsbehörde bei der Beurteilung, ob ein Missbrauch vorliegt, der in der Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung besteht, die Interoperabilität einer von einem Drittunternehmen entwickelten Anwendung mit einer digitalen Plattform, deren Inhaber das Unternehmen in beherrschender Stellung ist, zu gewährleisten, darauf beschränken kann, den nachgelagerten Markt zu identifizieren, auf dem diese Weigerung wettbewerbswidrige Auswirkungen haben kann, auch wenn es sich bei diesem nachgelagerten Markt nur um einen potenziellen Markt handelt, wobei eine solche Identifizierung nicht notwendigerweise eine genaue Definition des sachlich und räumlich relevanten Marktes erfordert.

(Tenor)