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Unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bei der Vergütung – Mehrflugdienststundenvergütung

– Klageerweiterung in der Revision – Bestimmtheit einer Bezugnahmeklausel

BAG, Urteil vom 4.12.2024 – 10 AZR 185/20

  1. Bei Ansprüchen auf der Grundlage einer Tarifanwendung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme einerseits und einer Tarifgeltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit andererseits handelt es sich prozessual um unterschiedliche Streitgegenstände (Rn. 20).
  2. Führt die Klagepartei erstmals in der Revisionsinstanz einen neuen Streitgegenstand in den Rechtsstreit ein, handelt es sich um eine Klageerweiterung, die mit Blick auf § 559 ZPO grundsätzlich unzulässig ist. Aus prozessökonomischen Gründen kann sie ausnahmsweise zugelassen werden, wenn der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt gestützt werden kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden (Rn. 18).
  3. Nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen setzt die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel voraus, dass die in Bezug genommenen Tarifnormen, die die Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis regeln, jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Anwendung eindeutig bestimmbar sind. Ist dies im Fall einer Verweisung auf inhaltlich unterschiedliche Tarifwerke verschiedener Gewerkschaften auch durch Auslegung nicht möglich, ist die Klausel unwirksam (Rn. 34).
  4. War das Bezugnahmeobjekt einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel zunächst bestimmbar, entfällt die Bestimmbarkeit aber zu einem späteren Zeitpunkt, ohne dass die Bezugnahmeklausel – ggf. nach (ergänzender) Vertragsauslegung – eine Kollisionsregelung enthält, führt dies regelmäßig nicht dazu, dass die gesamte Verweisungsklausel unwirksam ist, sondern lediglich dazu, dass ihre Dynamik entfällt. Anwendbar bleiben die zuletzt übereinstimmenden Tarifwerke (Rn. 35 ff.).
  5. Beruht die Anwendung eines Tarifvertrags auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung, ist es grundsätzlich Sache der klagenden Partei, den Tarifvertrag konkret zu bezeichnen und seinen Inhalt vorzutragen. Ggf. hat ein Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO zu erfolgen. § 293 ZPO verpflichtet die Gerichte für Arbeitssachen im Fall der Nichtkenntnis nur zur Ermittlung des Inhalts normativ geltender Tarifverträge (Rn. 24).

(Leitsätze)