Ein solches Verbot ist gerechtfertigt, um die anwaltliche Unabhängigkeit zu gewährleisten
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-295/23 | Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft
Ein Mitgliedstaat darf die Beteiligung reiner Finanzinvestoren am Kapital einer Rechtsanwaltsgesellschaft verbieten.
Eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs ist durch das Ziel gerechtfertigt, zu gewährleisten, dass Rechtsanwälte ihren Beruf unabhängig und unter Beachtung ihrer Berufs- und Standespflichten ausüben können.
Die deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft klagt beim Bayerischen Anwaltsgerichtshof gegen einen Bescheid der Rechtsanwaltskammer München vom 9. November 2021, mit dem ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen wurde, nachdem eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäftsanteile an ihr[1] zu rein finanziellen Zwecken erworben hatte. Nach der zeitlich relevanten deutschen Regelung konnten nur Rechtsanwälte und Angehörige bestimmter freier Berufe Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft werden.[2] Der Bayerische Anwaltsgerichtshof hat den Gerichtshof zur Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Unionsrecht befragt.
Der Gerichtshof antwortet, dass das Unionsrecht – genauer der freie Kapitalverkehr und die Dienstleistungsrichtlinie,[3] die die Niederlassungsfreiheit konkretisiert – einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der es unzulässig ist, dass Geschäftsanteile an einer Rechtsanwaltsgesellschaft auf einen reinen Finanzinvestor[4] übertragen werden, und die bei Zuwiderhandlung den Widerruf der Zulassung der Gesellschaft zur Rechtsanwaltschaft vorsieht.
Diese Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs ist durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Ein Mitgliedstaat kann nämlich legitimerweise davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt nicht in der Lage wäre, seinen Beruf unabhängig und unter Beachtung seiner Berufs- und Standespflichten auszuüben, wenn er einer Gesellschaft angehörte, zu deren Gesellschaftern Personen zählen, die ausschließlich als reine Finanzinvestoren handeln, ohne den Rechtsanwaltsberuf oder einen anderen, vergleichbaren Regeln unterliegenden Beruf auszuüben. Eine solche Beschränkung geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
PM Nr. 202/24 v. 19. Dezember 2024
[1] Nämlich 51 von 100.
[2] Mit einer Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung zum 1. August 2022 wurde diese Möglichkeit auf Angehörige weiterer freier Berufe erweitert.
[3] Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt.
[4] Der nicht die Absicht hat, in der Gesellschaft eine bestimmte berufliche Tätigkeit auszuüben.