– sachlich-proportionale Gründe – Konzernsachverhalt
BAG, Urteil vom 2. Juli 2024 – 3 AZR 247/23
1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass es aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes bei der verschlechternden Neuregelung einer Versorgungsordnung unterschiedlich gewichtiger Gründe für eine Ablösung bedarf. Der unter Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, § 2a Abs. 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Der Eingriff setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich – wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen – dienstzeitunabhängig aus dynamischen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für eine Verschlechterung der Berechnungsgrundlagen für dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten sind schließlich sachlich-proportionale Gründe erforderlich (Rn. 15).
2. Bei der Prüfung sachlich-proportionaler Gründe für eine verschlechternde Regelung der noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse (dritte Stufe) ist auf die tatsächlichen Umstände und wirtschaftlichen Verhältnisse im Konzern abzustellen, wenn der Konzernarbeitgeber die schon bislang konzernweit geregelte betriebliche Altersversorgung für den gesamten Konzern durch eine neue Konzernbetriebsvereinbarung ablösen möchte (Rn. 22 ff.).
3. Wenn die Versorgungsaufwendungen konzernweit abgesenkt werden sollen, muss der Arbeitgeber als Versorgungsschuldner vortragen, wegen welcher konkret konzernweit wirkender wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine finanzielle Entlastung des Konzerns interessengerecht war und weshalb die Schmälerung der künftigen Zuwächse nicht außer Verhältnis zum Anlass stand (Rn. 25).
4. Im Konzern kommen als sachlich-proportionale Gründe – entsprechend den Anforderungen auf Unternehmensebene – nachvollziehbare, anerkennenswerte Gründe in Betracht, die einen vernünftig handelnden Konzernarbeitgeber zu einer Verschlechterung der noch zu erdienenden Zuwächse der im Konzern beschäftigten Arbeitnehmer veranlassen können (Rn. 27).
5. Aus einer – schon eingetretenen oder prognostizierten – negativen wirtschaftlichen Entwicklung des Konzerns können sich sachliche Gründe ergeben. Negative wirtschaftliche Entwicklungen können aus den Konzerngesellschaften auf den gesamten Konzern ausstrahlen. Eine Änderung des Versorgungssystems kann Teil eines Konzepts zur Sanierung des Konzerns sein (Rn. 28).
6. Auch eine bereits eingetretene oder prognostizierte negative Entwicklung nur des Versorgungssystems aufgrund unvorhersehbarer Umstände kann neben den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Konzerns einen sachlichen Grund darstellen. Das ist etwa der Fall, wenn eine erhebliche, zum Zeitpunkt der Schaffung des Versorgungswerks unvorhersehbare Mehrbelastung eingetreten oder zu erwarten ist, die etwa auf Änderungen im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung oder im Steuerrecht zurückzuführen ist. Der Anstieg der Kosten ist anhand eines Barwertvergleichs festzustellen, der bezogen auf den Ablösestichtag einerseits und den Tag der Schaffung des Versorgungswerks andererseits vorzunehmen ist (Rn. 30).
7. Soll neben der negativen Entwicklung des Versorgungssystems der Versorgungsaufwand insgesamt verringert werden, sind zusätzliche wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Gründe erforderlich (Rn. 32).
8. Zudem muss die Verschlechterung proportional sein. Das ist der Fall, wenn sie mit dem sachlichen Grund kompatibel ist. Dabei geht es nicht um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne; vielmehr müssen der Regelungszweck und der Kürzungsumfang in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen (Rn. 34).
9. Sinkende Sozialversicherungsrenten können für ein Versorgungssystem mit Elementen der Gesamtversorgung einen Systemwechsel geboten erscheinen lassen, der zugleich zu einer generationengerechteren Verteilung führt, wenn anderenfalls die Gewährleistung der bisherigen Versorgungshöhe für Neueintritte zur Disposition steht. Voraussetzung ist allerdings, dass der Dotierungsrahmen im Wesentlichen gleichbleibt und der Eingriff für die nachteilig betroffene Arbeitnehmergruppe proportional ist. Entscheiden sich die (Konzern-)Betriebsparteien gegen eine Schließung des Versorgungswerks für Neueintritte, ist dies unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit angemessen zu würdigen (Rn. 47).
(Orientierungssätze)