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BAG: Erweiterte Sonderleistung an Pflegekräfte („Corona-Prämie“) – Betriebsvereinbarung – betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz – unverschuldeter Rechtsirrtum

BAG, Urteil vom 30.1.2024 – 1 AZR 74/23; ECLI:DE:BAG:2024:300124.U.1AZR74.23.0

1. Haben Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung ausschließlich zu dem Zweck geschlossen, die aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel für eine „erweiterte Sonderleistung“ an Pflegekräfte nach § 26d KHG an ihre Arbeit-nehmer zu verteilen, handelt es sich nicht um eine (teil-)mitbestimmte Betriebsverein-barung über einen vom Arbeitgeber gewährten Vergütungsbestandteil (Rn. 17 ff.).

2. Sind in einem solchen Fall sämtliche Mittel ausgeschüttet worden, hat ein Arbeit-nehmer, der – möglicherweise – unter Verletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keine Prämie erhalten hat, keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf (nachträgliche) Gleichbehandlung mit den begünstigten Arbeit-nehmern (Rn. 17 ff.).

3. Ein sog. unverschuldeter Rechtsirrtum kann nur angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Rechtslage unter Einbeziehung höchstrichterlicher Rechtsprechung sorgfältig geprüft sowie dafür – soweit erforderlich – Rechtsrat eingeholt hat und gleich-wohl mit einer anderen Beurteilung der Rechtslage durch die Gerichte nicht rechnen musste (Rn. 25).

4. Bei der vom Arbeitgeber binnen weniger Wochen zu beurteilenden Frage, ob Pfle-gekräfte in einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses zwingend aus dem Kreis der nach § 26d KHG prämienberechtigten Arbeitnehmer auszunehmen sind, handelt es sich um eine schwierige und ungeklärte Rechtsfrage, deren – möglicher-weise – unzutreffende Beurteilung dem Arbeitgeber unter den Umständen des Streit-falls nicht zur Last gelegt werden kann (Rn. 27 ff.).

(Orientierungssätze)

Der Verstoß einer Betriebsvereinbarung gegen den betriebsverfassungs-rechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begründet keinen Anspruch ei-nes – aus dem Kreis der Begünstigten ausgeschlossenen – Arbeitnehmers auf eine „Anpassung nach oben“, wenn Regelungsgegenstand der bereits vollständig durchgeführten Betriebsvereinbarung ausschließlich die Vertei-lung staatlicher Mittel (hier: einer Corona-Prämie) auf die Beschäftigten ist.

(Amtlicher Leitsatz)