© IMAGO / YAY Images

Erstattung von Schulungskosten – Wahl irischen Rechts – §§ 305 ff. BGB als zwingende Normen iSv. Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO

BAG, Urteil vom 23.1.2024 – 9 AZR 115/23; ECLI:DE:BAG:2024:230124.U.9AZR115.23.0

1. Besteht eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten, können die Parteien des Arbeitsvertrags das für ihr Arbeitsverhältnis maßgebende Rechtsstatut wählen (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO). Der Befugnis zur freien Rechtswahl hat der Verordnungsgeber durch Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO Grenzen gesetzt. Danach darf die Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf (Rn. 30).

2. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) gewährt dem Arbeitnehmer einen Schutz, der ihm durch die von den Parteien getroffene Rechtswahl nicht entzogen werden darf, und schränkt deshalb die Rechtswahl der Parteien ein (Rn. 31).

3. Zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist im Allgemeinen ein Günstigkeitsvergleich anzustellen zwischen den Bestimmungen der von den Parteien gewählten Rechtsordnung und den zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts, die dem Arbeitnehmer Schutz gewähren. Erstreckt das objektive Recht die Vertragskontrolle, die die Richtlinie 93/13/EWG für Verbraucherverträge vorsieht, auf Arbeitsverträge, erübrigt sich ein Vergleich, wenn danach eine den Arbeitnehmer belastende Vertragsklausel unwirksam ist (Rn. 35).

4. Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Schulung zu beteiligen hat, wenn er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Verpflichtet eine AGB-Klausel den Arbeitnehmer auch in den Fällen zur Erstattung, in denen der Grund für die Eigenkündigung aus der Sphäre des Arbeitgebers stammt, benachteiligt sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (Rn. 38).

(Orientierungssätze)

Ein Formulararbeitsvertrag ist auch bei einer anderweitigen Rechtswahl durch die Parteien (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO) einer AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB) zu unterziehen, wenn ohne die Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden wäre. Ist danach eine den Arbeitnehmer belastende Vertragsklausel unwirksam, erübrigt sich der ansonsten erforderliche Günstigkeitsvergleich. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen etabliert als unabdingbares Recht iSd. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO ein Schutzniveau, von dem zu Lasten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden darf.

(Amtlicher Leitsatz)