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BAG: TV-L – Stufenzuordnung nach Herabgruppierung

– durchgehende Ausübung der Tätigkeit der niedrigeren Entgeltgruppe nach Höhergruppierung – nur kurzfristige Wahrnehmung einer höherwertigen Tätigkeit

BAG, Urteil vom 5.10.2023 – 6 AZR 333/22

ECLI:DE:BAG:2023:051023.U.6AZR333.22.0

1. Die in einer Entgeltgruppe des TV-L erworbene Berufserfahrung hat weder bei einer Höhergruppierung noch bei einer Herabgruppierung Auswirkungen auf die Zuordnung zu einer bestimmten Entgeltstufe in der neuen Entgeltgruppe. Dies gilt auch, wenn der Beschäftigte, z. B. in sog. „Aufbaufallgruppen“, die Tätigkeit der niedrigeren Entgeltgruppe nach Übertragung der höherwertigen Tätigkeit und entsprechender Höhergruppierung durchgehend weiter ausgeübt hat und dann wieder herabgruppiert wird (Rn. 16).

2. Ob eine höherwertige Tätigkeit dauerhaft oder nur vorübergehend übertragen wird, kann nicht rückblickend nach ihrer zeitlichen Dauer beurteilt werden. Die Art und Weise der Übertragung muss bereits im Übertragungszeitpunkt feststehen (Rn. 23 f.). Der sich durch eine Rückschau ergebende Zeitraum der tatsächlichen Tätigkeitsausübung ist für die Stufenzuordnung nach Herabgruppierung bedeutungslos (Rn. 24).

3. Art. 12 Abs. 1 GG schützt Arbeitnehmer nicht grundsätzlich vor Tarifregelungen, deren Auswirkungen ungerecht oder nicht zwingend sachgerecht erscheinen. Eine solche Deutung stünde nicht im Einklang mit Art. 9 Abs. 3 GG, wonach das Aushandeln von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen wegen ihrer Sachnähe den Tarifvertragsparteien obliegt (Rn. 35).

4. Die durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentumsgarantie erfasst nur bestehende Ansprüche bzw. zu eigentumsgleichen Rechtspositionen erstarkte Anwartschaften, nicht jedoch bloße Vergütungserwartungen von Arbeitnehmern (Rn. 36).

(Orientierungssätze)

Tarifliche Entgeltregelungen sind stets ein Kompromiss zwischen den kollidierenden Vorstellungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Wertigkeit einer bestimmten Tätigkeit. Das Aushandeln von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist jedoch gerade Aufgabe der insoweit sachnahen Tarifvertragsparteien und von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt. Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ist gegenüber tariflichen Entgeltregelungen daher erst eröffnet, wenn sie den existentiellen Kern der Berufsfreiheit betreffen.

(Amtlicher Leitsatz)