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BAG: Außerordentliche fristlose Kündigung – einrichtungsbezogene Impfpflicht – versuchte Täuschung über die ärztliche Feststellung einer vorläufigen Impfunfähigkeit gegen das Coronavirus Sars-CoV-2

BAG, Urteil vom 14.12.2023 – 2 AZR 55/23

ECLI:DE:BAG:2023:141223.U.2AZR55.23.0

1. In der unter Geltung von § 20a IfSG aF wahrheitswidrig erfolgten Behauptung eines in einem Krankenhaus beschäftigten Arbeitnehmers, aufgrund einer ärztlichen Untersuchung sei festgestellt worden, dass er vorläufig nicht gegen das Coronavirus SarsCoV-2 geimpft werden könne, lag – zumal unter Berücksichtigung des besonders vulnerable Personen schützenden Gegenstands der Nachweispflicht – eine erhebliche Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB, die „an sich“ als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist. Das gilt ungeachtet der Frage, ob der Arbeitnehmer laienhaft davon ausging, er sei tatsächlich (vorläufig) impfunfähig. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer sich wegen der Vorlage eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach §§ 277 ff. StGB strafbar gemacht hat. Maßgebend ist vielmehr der mit der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (Rn. 16).

2. Aus § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF, der das Gesundheitsamt ermächtigte, gegenüber einer vor dem 16. März 2022 bereits beschäftigten Person ein Betretungs- bzw. Beschäftigungsverbot auszusprechen, ergab sich keine Sperrwirkung im Hinblick auf die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Vielmehr kamen nach der erkennbaren Vorstellung des Gesetzgebers bei einem Verstoß gegen die Nachweispflicht neben öffentlich-rechtlichen Sanktionen auch arbeitsrechtliche Konsequenzen in Betracht (Rn. 18).

(Orientierungssätze)

Ein in der Patientenversorgung eingesetzter Arbeitnehmer, der im Geltungsbereich von § 20a IfSG idF vom 10. 12. 2021 wahrheitswidrig behauptet, aufgrund einer ärztlichen Untersuchung sei festgestellt worden, dass er vorläufig nicht gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 geimpft werden könne, verletzt in erheblicher Weise eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht.

(Amtlicher Leitsatz)