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BFH: Anonymitätsgrundsatz und Überdenkungsverfahren in der schriftlichen Steuerberaterprüfung

BFH, Urteil vom 11.7.2023 – VII R 10/20

1. § 18 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften (DVStB) ist mit höherrangigem (Verfassungs-)Recht vereinbar. Insbesondere gebietet der prüfungsrechtliche Grund-satz der Chancengleichheit unter besonderer Berücksichtigung des Verbots geschlechtsspezifischer Diskriminierung aus verfassungsrechtlichen Gründen kein anonymisiertes Kennzahlensystem für die Durchführung der schriftlichen Steuerberaterprüfung (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 08.05.2014 – VII B 41/13).

2. Das in § 29 DVStB vorgesehene Über-denkungsverfahren erfordert eine eigen-ständige und unabhängige Überprüfung durch die hierfür zuständigen Prüfer. Eine gemeinsam abgestimmte Überdenkung von Klausuren durch eine Prüfermehrheit ist ‑‑anders als eine „offene“ Überdenkung‑‑ unzulässig. Eine Abstimmung und Beratung über die zu vergebende Note ist allenfalls im Nachgang zu einer schriftlichen Fixierung des Ergebnisses des jeweiligen Überdenkens zulässig (An-schluss an Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 09.10.2012 – 6 B 39.12; BVerwG-Urteil vom 10.04.2019 – 6 C 19.18).

(Amtliche Leitsätze)

Volltext BB-Online BBL2023-2837-2