© IMAGO / Panthermedia

EuGH: Zur Wettbewerbsverbotsklausel in zwischen zwei auf unterschiedlichen Produktmärkten tätigen Unternehmen geschlossener Handelspartnerschaftsvereinbarung

1. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen, das ein Netz von Einzelhändlern für Massenkonsumgüter betreibt, auch dann auf dem Strommarkt als potenzieller Wettbewerber eines Stromlieferanten anzusehen ist, mit dem es eine Partnerschaftsvereinbarung geschlossen hat, die eine Wettbewerbsverbotsklausel enthält, wenn das Unternehmen zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung auf diesem Produktmarkt keine Tätigkeit ausübt, sofern auf der Grundlage einer Reihe übereinstimmender tatsächlicher Umstände, die die Struktur und das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Marktes berücksichtigen, nachgewiesen ist, dass wirkliche und konkrete Möglichkeiten bestehen, dass das Unternehmen in den Markt eintritt und mit diesem Lieferanten in Wettbewerb steht.

2. Art. 101 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ist dahin auszulegen, dass eine Handelspartnerschaftsvereinbarung, die zwischen zwei Unternehmen geschlossen worden ist, die auf unterschiedlichen, einander nicht vor- oder nachgelagerten Produktmärkten tätig sind, nicht unter die Gruppen der „vertikalen Vereinbarungen“ und „Handelsvertreterverträge“ fällt, wenn diese Vereinbarung darin besteht, die Entwicklung des Absatzes der Produkte dieser beiden Unternehmen durch ein System der Förderung und gegenseitiger Rabatte zu begünstigen, wobei jedes dieser Unternehmen einen Teil der mit der Durchführung dieser Partnerschaft verbundenen Kosten trägt.

3. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Wettbewerbsverbotsklausel in einer zwischen zwei auf unterschiedlichen Produktmärkten tätigen Unternehmen geschlossenen Handelspartnerschaftsvereinbarung, mit der die Entwicklung des Absatzes der Produkte dieser beiden Unternehmen durch ein System der Förderung und gegenseitiger Rabatte begünstigt werden soll, nicht als Nebenabrede zu dieser Partnerschaftsvereinbarung angesehen werden kann, es sei denn, die sich aus dieser Klausel ergebende Beschränkung ist für die Durchführung der Partnerschaftsvereinbarung objektiv erforderlich und steht in einem angemessenen Verhältnis zu deren Zielen.

4. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Wettbewerbsverbotsklausel, die im Rahmen einer Handelspartnerschaftsvereinbarung u. a. darin besteht, einer der Parteien dieser Vereinbarung zu verbieten, in den nationalen Stromversorgungsmarkt einzutreten, auf dem die andere Partei der Vereinbarung ein bedeutender Akteur ist, und zwar zum Zeitpunkt der letzten Phase der Liberalisierung dieses Marktes, auch dann eine Vereinbarung darstellt, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt, wenn die Verbraucher bestimmte Vorteile aus dieser Vereinbarung ziehen und die Wettbewerbsverbotsklausel zeitlich begrenzt ist, sofern sich aus einer Analyse des Inhalts dieser Klausel sowie ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts ergibt, dass die Klausel den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt, um davon ausgehen zu können, dass die Prüfung ihrer Wirkungen nicht notwendig ist.

EuGH, Urteil vom 26.10.2023 – C-331/21

(Tenor)