„Eine der nachhaltigsten Kosmetikfabriken der Welt“

"Es ist eine fast vollständig elektrische Fabrik", sagt Babor-Chef Robertz.

"Es ist eine fast vollständig elektrische Fabrik", sagt Babor-Chef Robertz.

Der Kosmetikhersteller Babor Beauty zieht zurzeit mit seinen Abfüllanlagen, der Logistik und einem Teil seiner Verwaltung um. Wie die Fabrik auf Nachhaltigkeit getrimmt wurde, erläutert Geschäftsführer Horst Robertz im Interview.

Frage: Herr Robertz, was ist das besondere am neuen Gebäude?

Robertz: Es ist eine der nachhaltigsten Kosmetikfabriken der Welt, ich würde sogar sagen, die nachhaltigste. Das Gebäude hat den Energieeffizienzstandard 40, verbraucht also 60 Prozent weniger Energie als vergleichbare Gebäude. Es hat eine umfangreiche Dämmung, sodass wir die Abfüllhallen voraussichtlich auch im Winter nicht beheizen müssen, da die Maschinen dort genug Abwärme liefern.

Frage: Welche Energieträger benötigen Sie am neuen Standort?

Robertz: Ganz überwiegend Strom, insgesamt 2,8 Mio. kWh, daneben auch in sehr geringen Mengen Erdgas, welches nur noch weniger als drei Prozent des Energiebedarfs ausmacht. Es ist eine fast vollständig elektrische Fabrik, wir nutzen Luft-Wärmepumpen, die wir auch mit selbsterzeugtem Solarstrom betreiben. Wir hatten auch überlegt, Geothermie zu nutzen, dafür ist der Standort aber nicht geeignet. Zudem haben wir eine 750-kV-Photovoltaikanlage in Ost-West-Einrichtung auf dem Dach sowie eine Dachbegrünung als Bio-Isolierung.

„Ungenutzten Strom speichern wir für später. Zudem nutzen wir ihn für das Lastmanagement, um Spitzenlasten zu vermeiden. Und wir machen uns damit auch im gewissen Rahmen unabhängig vom Stromnetz.“

 Horst Robertz

Frage: Eine 750 kW-Anlage kann keine 2,8 Mio. kWh Strom bereitstellen…

Robertz: Nein. Wir haben zunächst mit knapp unter 750 kW geplant, weil das zu dem damaligen Zeitpunkt die Grenze war, ab der man den Strom vermarkten musste. Wir wollen den Strom aber selbst nutzen. Mittlerweile hat sich die Gesetzeslage verändert und wir planen, weitere Photovoltaikanlagen hinzuzubauen, sodass wir auf etwa 2,8 MW kommen. Damit können wir 100 Prozent bilanzielle Autarkie erreichen. Wir haben noch weitere Dachflächen frei, zudem können wir auch noch Flächen im Außenbereich nutzen. Die Anlage wird dann so gebaut, dass wir diese später auch noch auf ein Gebäude installieren können, falls wir weitere Gebäude benötigen.

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Frage: Sieht Ihr Konzept auch Stromspeicher vor?

Robertz: Ja, unser Ziel ist es, möglichst autark zu werden. Vor dem Gebäude steht ein Speicher-Cube, bestehend aus Autobatterien mit einer Kapazität von knapp 1,2 MW. Das sind aus Gewährleistungsgründen zunächst First-Life-Batterien, später können auch Second-Life-Batterien zum Einsatz kommen. Ungenutzten Strom speichern wir für später. Zudem nutzen wir ihn für das Lastmanagement, um Spitzenlasten zu vermeiden. Und wir machen uns damit auch im gewissen Rahmen unabhängig vom Stromnetz. Der Speicher bietet uns die Möglichkeit, bestimmte Prozesse gezielt zu Ende zu fahren, wenn der Strom mal für eine halbe Stunde ausfällt. Perspektivisch wollen wir auch die Stromspeicherkapazität ausbauen.

Frage: Was sind für Sie Spitzenlastzeiten?

Robertz: Der Klassiker – morgens um sechs Uhr, mit Beginn unserer Frühschicht. Dann fahren unsere Maschinen hoch. Das wird schon ein wenig kaskadiert, sodass die Maschinen nicht alle genau gleichzeitig angestellt werden. Ein gewisser Peak lässt sich aber nicht ganz vermeiden und das federn wir mit dem Speicher ab. Wir bezahlen im Moment 50.000 bis 60.000 Euro für Spitzenlaststrom und hoffen, dies mindestens halbieren zu können.

Frage: Wer kümmert sich bei Ihnen im Hause um Energiethemen?

Robertz: Wir haben vier Leute in der technischen Abteilung, die sich um das Thema kümmern

Frage: Wofür brauchen Sie Erdgas und wie wollen Sie dieses ersetzen?

Robertz: Wir haben kleine Glas-Ampullen, die mit einer offenen Gasflamme geöffnet und auch wieder verschlossen werden. Dafür setzen wir Erdgas ein, wenn auch nur in geringen Mengen. Aktuell haben wir ein Projekt mit der RWTH Aachen abgeschlossen, wie sich das Erdgas bei dieser Anwendung durch Wasserstoff ersetzen lässt. Das ist nicht so einfach, weil Wasserstoff eine ganz andere Brenncharakteristik hat als Erdgas. Wir stabilisieren die Prozesse zurzeit, sodass wir noch in diesem, spätestens aber im nächsten Jahr hier auf Wasserstoff umstellen werden.

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Frage: Woher würden Sie den Wasserstoff bekommen?

Robertz: Wir haben eine Kooperationsvereinbarung mit dem Brainergy Park in Jülich unterschrieben, von dem wir künftig grünen Wasserstoff beziehen wollen.

Frage: Wie viele Mehrkosten haben sich ergeben, weil Sie das Gebäude als Energieeffizienzgebäude konzipiert haben?

Robertz: Etwa 10 Mio. Euro der insgesamt 60 Mio. Euro Investitionen.

Frage: Wann glauben Sie, werden sich die Mehrinvestitionen amortisiert haben?

Robertz: Am Anfang sind wir von fünf Jahren ausgegangen, zwischenzeitlich von nur noch drei aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise. Es wird wohl irgendwo dazwischen liegen. Aber wir machen das auch nicht nur aus ökonomischen Gründen. Wir sind ein Familienunternehmen, es geht uns auch um die Nachhaltigkeit.

Frage: Haben Sie bei den Abfülllinien, die jetzt hier zum neuen Standort ziehen, auch die Energieeffizienz verbessert?

Robertz: Nein. Die Maschinen umzubauen, ist so aufwändig und teuer, dass man im Prinzip dafür neue Maschinen kaufen kann. Bei neuen Maschinen achten wir aber sehr genau darauf, energieeffizientere Aggregate einzusetzen.

„Zentral bei unserem Mobilitätskonzept ist das Bilden von Fahrgemeinschaften. Das geht so weit, dass wir Elektrofahrzeuge anschaffen.“

 Horst Robertz

Frage: Werden Sie perspektivisch auch noch mit weiteren Unternehmensbereichen umziehen?

Robertz: Im ersten Schritt ziehen nur die Abfüllung und die Logistik um. In einem zweiten Schritt, in etwa drei bis vier Jahren, wird auch die Herstellung – also die Mischerei – umziehen. Das sind die Kessel, in denen die Bulks, also die eigentlichen Cremes, unter großer Hitze verrührt werden. Dafür brauchen wir noch relativ große Mengen Erdgas. Die Kessel haben einen doppelten Mantel. Wir erhitzen Wasser mithilfe von Erdgas zu 121 Grad heißem Wasserdampf. Dieser erhitzt über einen Wärmetauscher den Mantel des Kessels und erwärmt so die Mischung.

Hier diskutieren wir gerade zwei Möglichkeiten. Die eine wäre eine Elektrifizierung. Dabei würden wir die Kessel mit Heizstäben erwärmen. Das ist energetisch nicht so gut. Die andere wäre eine Umstellung auf Hochtemperatur-Wärmepumpen, da überlegen wir uns gerade ein Konzept. Bei den Kesseln könnte künftig auch die Abwärmenutzung eine Rolle spielen.

Frage: So lange müssen Sie die Produkte zur Abfüllung noch von Aachen nach Eschweiler transportieren…

Robertz: Wir haben Ende Mai zwei Elektro-LKW gekauft, 20-Tonner, die shutteln schon jetzt fleißig von Aachen nach Eschweiler. Damit haben wir auch nochmal einen Zusatzspeicher für Strom.

Frage: Zu dem ökologischen Fußabdruck eines Unternehmens gehören auch die Fahrtwege der Mitarbeitenden. Haben Sie sich da auch etwas überlegt?

Robertz: Wir haben ein Mobilitätskonzept, und zwar aus zwei Überlegungen: Zum einen aus ökologischen Gründen, zum anderen wollten wir alle Mitarbeitenden mitnehmen zum neuen Standort. Zentral bei unserem Mobilitätskonzept ist das Bilden von Fahrgemeinschaften. Das geht so weit, dass wir Elektrofahrzeuge anschaffen. Einige Mitarbeitende können ein Elektroauto auch privat nutzen, müssen sich dafür aber verpflichten, ein oder zwei Kollegen mit zur Arbeit zu nehmen. Dafür haben wir auf unserem Parkplatz am neuen Standort auch 40 Ladepunkte.

Das Interview erschien zuerst im Energate Messenger.