© IMAGO / YAY Images

EuGH: Festsetzung von Mindestpreisen für Weiterverkauf und „bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“

EuGH, Urteil vom 29.6.2023 – C-211/22

1. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Feststellung, dass eine vertikale Vereinbarung über die Festsetzung von Mindestpreisen für den Weiterverkauf eine „bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“ enthält, nur getroffen werden kann, nachdem festgestellt wurde, ob diese Vereinbarung unter Berücksichtigung des Inhalts ihrer Bestimmungen, der mit der Vereinbarung verfolgten Ziele sowie aller Gesichtspunkte, die den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, bilden, den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt.

2. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine „Vereinbarung“ im Sinne dieses Artikels vorliegt, wenn ein Lieferant seinen Vertriebshändlern Mindestpreise für den Weiterverkauf der von ihm vertriebenen Waren vorschreibt, soweit die Vorgabe dieser Preise durch den Lieferanten und ihre Einhaltung durch die Vertriebshändler Ausdruck des übereinstimmenden Willens der Parteien ist. Diese Übereinstimmung des Willens kann sich sowohl aus den Klauseln des in Rede stehenden Vertriebsvertrags ergeben, wenn dieser eine ausdrückliche Aufforderung enthält, Mindestpreise für den Weiterverkauf einzuhalten, oder den Lieferanten zumindest autorisiert, solche Preise festzusetzen, als auch aus dem Verhalten der Parteien und insbesondere der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung der Vertriebshändler zu der Aufforderung, sich an Mindestpreise für den Weiterverkauf zu halten.

3. Art. 101 AEUV in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz ist dahin auszulegen, dass das Vorliegen einer „Vereinbarung“ im Sinne dieses Artikels zwischen einem Lieferanten und seinen Vertriebshändlern nicht nur durch unmittelbare Beweise nachgewiesen werden kann, sondern auch durch objektive und übereinstimmende Indizien, aus denen auf das Vorliegen einer solchen Vereinbarung geschlossen werden kann.

4. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass eine vertikale Vereinbarung über die Festsetzung von Mindestpreisen für den Weiterverkauf nahezu das gesamte, aber nicht das vollständige Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats abdeckt, nicht ausschließt, dass diese Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann.

(Tenor)