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EuGH: Begriff der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit – typologische Betrachtungsweise – Tätigkeiten eines Mitglieds eines Verwaltungsrates einer juristischen Person – Grundsatz der Rechtsformneutralität

GAin Kokott, Schlussanträge vom 13.7.2023 – C-288/22

1. Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass das Vorliegen einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit im Wege eines typologischen Vergleichs zu bestimmen ist. Entscheidend dafür ist, ob die betreffende Person im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung wie ein typischer Steuerpflichtiger selbst ein wirtschaftliches Risiko trägt und über eine eigene wirtschaftliche Initiative verfügt, was das vorlegende Gericht zu beurteilen hat.

2. Dabei folgt aus dem Grundsatz der Rechtsformneutralität, dass eine natürliche Person, die Mitglied eines gesetzlich zwingend vorgesehenen Organs einer Gesellschaft ist und für diese Tätigkeit als Mitglied des Organs eine Vergütung erhält, insoweit nicht als selbständig wirtschaftlich tätig angesehen werden kann.