BAG, Beschluss vom 8.3.2023 – 7 ABR 10/22
ECLI:DE:BAG:2023:080323.B.7ABR10.22.0
Die Freistellung des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Einigungsstellenverfahren setzt keine an ihn adressierte Rechnung voraus.
(Amtlicher Leitsatz)
1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu können Honorarkosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung in einem Einigungsstellenverfahren der Betriebsrat in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte, gehören (Rn. 16).
2. Der gerichtlich geltend gemachte Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von Kosten aus einer von ihm getroffenen Honorarzusage für die anwaltliche Vertretung umfasst die gesetzlichen Anwaltsgebühren, soweit diese die Honorarvereinbarung nicht übersteigen. Es handelt sich insoweit nicht um verschiedene Verfahrensgegenstände (Rn. 12).
3. Für den Freistellungsanspruch des Betriebsrats von anwaltlichen Honorarkosten genügt es nicht, dass der Rechtsanwalt für den Betriebsrat tätig geworden ist; vielmehr muss die Beauftragung des Anwalts auf einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss beruhen (Rn. 41).
4. Der Freistellungsanspruch des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG ist ein Befreiungsanspruch iSd. § 257 Satz 1 BGB, der mit Eingehen der Verbindlichkeit entsteht, von der freizustellen ist. Eine an den Betriebsrat adressierte Rechnung ist keine Tat[1]bestandsvoraussetzung für seine Entstehung (Rn. 20).
5. § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG tangiert nicht das Entstehen des anwaltlichen Vergütungsanspruchs, sondern betrifft die Frage, ob der Rechtsanwalt die Vergütung einfordern kann (Rn. 25).
6. Der Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber von Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG verjährt gemäß § 195 BGB nach drei Jahren. Nach § 214 Abs. 1 BGB ist nur der Schuldner berechtigt, die Leistung wegen Verjährung zu verweigern. Es steht in seinem Ermessen, ob er hiervon Gebrauch macht (Rn. 34).
7. Eine gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßende Ausübung einer formalen Rechtsstellung durch den Betriebsrat kann wegen der Besonderheiten des durch die Wahrnehmung strukturell gegensätzlicher Interessen gekennzeichneten Rechtsverhältnisses der Betriebsparteien nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden (Rn. 36).
8. Das Kostenschonungsinteresse des Arbeitgebers begründet keine grundsätzliche Verpflichtung des Betriebsrats, gegenüber der Forderung aufgrund einer von ihm ein[1]gegangenen Verbindlichkeit die Einrede der Verjährung zu erheben (Rn. 37 ff.).
(Orientierungssätze)