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BAG: Urlaubsabgeltung – tarifvertragliche Ausschlussfrist

BAG, Urteil vom 31.1.2023 – 9 AZR 244/20

1. Soweit § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, eine Gesamtbetrachtung aller Umstände anordnet, haben die Gerichte für Arbeitssachen bei ihrer Entscheidungsfindung verfassungsrechtlichen Wertungen Rechnung zu tragen. Ist der Dienstberechtigte Träger des Grundrechts der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), kann dies als weiterer Umstand iSd. § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB zu würdigen sein. Ein grundsätzlicher Bedarf an Beschäftigung in freier Mitarbeit kann aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bei den redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern bestehen (Rn. 23).

2. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG) unterliegt der Verjährung nach Maßgabe der §§ 194 ff. BGB (Rn. 27).

3. Bei der Bestimmung des Fristlaufs ist allerdings der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Anspruch des Arbeitnehmers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018 (- C-684/18 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) und war es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, begann die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 (Rn. 25, 27).

4. Als reiner Geldanspruch kann der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG) nach Maßgabe tarifvertraglicher Ausschlussfristenregelungen verfallen (Rn. 67).

5. § 18 Nr. 1 Satz 1 MTV erfasst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ und damit auch den Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG (Rn. 64).

6. Die dreimonatige Ausschlussfrist beginnt in der Regel mit der Fälligkeit des Anspruchs. Soweit es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis nicht zumutbar war, Ansprüche auf Abgeltung gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, lief die Ausschlussfrist ausnahmsweise erst nach dem Tag der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. November 2018 (-C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]). Dies ergibt die gesetzeskonforme Auslegung der Tarifnorm unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Effektivitätsgebots (Rn. 68)

(Orientierungssätze)

1. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG) kann als reiner Geldanspruch tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen.

2. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018 (- C-684/18 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) und war es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen zuvor nicht zumutbar, den Arbeitgeber auf Urlaubsabgeltung in Anspruch zu nehmen, begann die Ausschlussfrist im Hinblick auf den unabdingbaren Schutz, den der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs genießt, frühestens am 7. November 2018

(Amtliche Leitsätze)