BAG, Urteil vom 23.11.2022 – 7 AZR 122/22
1. Mit der Berufung muss der im ersten Rechtszug erhobene Anspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt werden. Eine Klageerweiterung oder -änderung kann nicht alleiniges Ziel der Berufung sein, sondern nur auf der Grundlage eines zulässigen Rechtsmittels verwirklicht werden. Formuliert die klagende Partei auf einen Hinweis des Landesarbeitsgerichts ihren ursprünglichen Klageantrag lediglich um, ohne ihr Rechtsschutzziel zu ändern, steht dies der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen (Rn. 16 f.).
2. Nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden (Rn. 27).
3. Vergleichbar i. S. v. § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren (Rn. 28).
4. Ist die Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Betrieb sehr klein und lässt sich deshalb nicht feststellen, dass das Entgelt der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurde, kann für den Anpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds der Durchschnitt der den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Entgelterhöhungen maßgebend sein. Voraussetzung einer Erhöhung der Vergütung des Betriebsratsmitglieds entsprechend dem Durchschnitt ist aber auch in diesen Fällen, dass die Entgelterhöhung bei der Vergleichsgruppe auf einer betriebsüblichen Entwicklung beruht (Rn. 34).
5. Nach Sinn und Zweck des § 37 Abs. 4 BetrVG besteht kein Anspruch auf eine Anpassung der Vergütung entsprechend dem Arbeitsentgelt ursprünglich vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung, wenn das Betriebsratsmitglied mit dem Arbeitgeber dauerhaft eine andere, gegenüber der Tätigkeit bei seiner Amtsaufnahme geringerwertige Tätigkeit vereinbart und sich die Arbeitsvertragsparteien zugleich entsprechend dem im Betrieb zur Anwendung kommenden Vergütungssystem auf eine dieser Tätigkeit entsprechende, niedrigere Vergütung verständigen, sofern in dieser Vereinbarung keine Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds i. S. d. § 78 S. 2 BetrVG liegt (Rn. 37).
6. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Nach Sinn und Zweck der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG können auch andere, die vertragliche Arbeitsleistung des Betriebsratsmitglieds betreffende Maßnahmen geboten sein, wenn nur so eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben sichergestellt werden kann. So ist ein Arbeitnehmer ggf. für die Dauer seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat von einer ganz bestimmten Arbeit unter Beschäftigung mit einer anderen Arbeit freizustellen, wenn gerade die Arbeit, die es nach seinem Arbeitsvertrag leisten müsste, dazu führen würde, dass es seine Betriebsratsaufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen könnte, während eine andere Arbeit der Erledigung dieser Aufgaben nicht hindernd im Wege stünde (Rn. 39).
(Orientierungssätze)
Volltext: BB-Online BBL2023-1332-1