WPK: Geplante Verschärfungen bei Wirtschaftsprüfern würden ein „zweites Wirecard“ nicht verhindern

Erneute Regulierung der Abschlussprüfung geht am Ziel des Entwurfs eines Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG) weitgehend vorbei Berlin, 28. Oktober 2020 – Am 23.10.2020 haben das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium den Referentenentwurf eines Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG)  in die Anhörung der zu beteiligenden Verbände und Fachkreise gegeben. Gerhard Ziegler, Präsident der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) sagt zu dem Referentenentwurf: „Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, die Richtigkeit der Rechnungslegung von Unternehmen sicherzustellen und das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt dauerhaft zu stärken. In diesem Sinne ist es gut, die unternehmensinternen Kontrollen durch die Pflicht zur Errichtung eines Prüfungsausschusses bei Unternehmen von öffentlichem Interesse zu stärken. Zielführend ist auch, dass nun Behörden benannt werden sollen, an die sich Abschlussprüfer von Unternehmen von öffentlichem Interesse wenden können, wenn in der Prüfung Unregelmäßigkeiten erkennbar werden. Dies entspricht einer Forderung der WPK. Demgegenüber gehen die zur Regulierung der Abschlussprüfung vorgesehenen Maßnahmen weitgehend am Ziel des Gesetzentwurfs vorbei, einen vergleichbaren Fall wie Wirecard zukünftig zu verhindern. Stattdessen werden sich Negativwirkungen wie massive Konzentrationseffekte im Wirtschaftsprüfungsmarkt ergeben, die niemand will. Wirecard ist ein Einzelfall, ohne Zweifel ein dramatisches Ereignis für die deutsche Wirtschaft. Erforderlich ist eine ganzheitliche Lösung, die von der Erstellung des Jahresabschlusses über dessen Prüfung bis zur Strafverfolgung an unterschiedlichen Stellen ansetzt. Vorschläge in diesem Sinne gibt es. Flankierend sollte die Verschwiegenheitspflicht des Abschlussprüfers gelockert und die Aufsicht über Abschlussprüfer besser strukturiert werden. Allem voran sollte die Position des Abschlussprüfers seinem Amt angemessen gestärkt werden.“ Soweit der vorliegende Gesetzentwurf die Höchstlaufzeit von Abschlussprüfungsmandaten bei Unternehmen von öffentlichem Interesse ausnahmslos auf zehn Jahre beschränkt, ist der Negativeffekt einer Förderung der Marktkonzentration bei Wirtschaftsprüfern absehbar. Die Rücknahme des vom deutschen Gesetzgeber im Jahr 2016 nach europäischem Recht ausgeübten Mitgliedstaatenwahlrechts, wonach ohnehin nur noch in geringem Maß Nichtprüfungsleistungen angeboten werden dürfen, hilft ebenfalls nicht das Ziel des Gesetzentwurfs zu erreichen. Es ist nicht nachgewiesen, wie ein weitreichendes Beratungsverbot dazu beitragen könnte, einen im Fall Wirecard weltumspannend inszenierten Betrug aufzudecken. Gerade dieser Fall offenbart den fehlenden Zusammenhang, denn dort spielte der Honoraranteil von Nichtprüfungsleistungen gegenüber dem Honorar für die Abschlussprüfung nahezu keine Rolle. Dementsprechend zeigt eine demnächst von der WPK zu veröffentlichende Marktstrukturanalyse, dass bei den kapitalmarktorientierten Unternehmen im Sinne des § 264d Handelsgesetzbuch der Anteil der Abschlussprüfungsleistungen ohnehin steigt: Im Jahr 2019 waren durchschnittlich 74,9%, der Gesamthonorare Honorare für Abschlussprüfungsleistungen, gegenüber 62,4% noch im Jahr 2017. Inwieweit die im Gesetzentwurf vorgesehene Erhöhung der zivilrechtlichen Haftung von vier auf 20 Mio. Euro zu einer Verbesserung der Prüfungsqualität beitragen kann, ist völlig offen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Höhe der zivilrechtlichen Haftung und der Prüfungsqualität lässt sich nicht feststellen. Folge einer solchen Erhöhung wird aber eine weitgehende Verdrängung der mittelständischen Abschlussprüfung aus dem Bereich der Unternehmen von öffentlichem Interesse sein. Von den derzeit rund 70 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die dieses Segment prüfen, haben rund 50 nur ein bis zwei dieser Prüfungsmandate. Die Kosten einer entsprechend teureren Berufshaftpflichtversicherung wären für diese Prüfer wirtschaftlich nicht mehr darstellbar. Die Verdrängung des Mittelstandes stünde im direkten Widerspruch zu dem vielfach vorgetragenen Anliegen der europäischen und deutschen Politik, den Markt für Abschlussprüfungen kapitalmarktorientierter Unternehmen zu öffnen. Eine Erhöhung der Haftungshöchstgrenze von einer auf zwei Mio. Euro im Bereich der Abschlussprüfungen von Unternehmen, die nicht im öffentlichen Interesse sind, wäre als hundertprozentige Steigerung eine deutlich mehr als inflationsbereinigte Anpassung. Gleichwohl wird sich die WPK konstruktiv in die Diskussion der Regelungsvorschläge einbringen. Um die Transparenz in kritischen Fällen für die Öffentlichkeit zu erhöhen und um das Vertrauen in das Aufsichtssystem zu stärken, schlägt die WPK vor: Wirtschaftsprüfer/Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die als Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse tätig sind, sollten sich bei berechtigtem Interesse zu der von ihnen durchgeführten Abschlussprüfung äußern dürfen (insoweit Aufhebung ihrer beruflichen Verschwiegenheitspflicht). Der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) und der WPK sollte jeweils ermöglicht werden, bei öffentlichem Interesse über die Einleitung eines berufsaufsichtlichen Verfahrens berichten zu können. Des Weiteren sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass APAS und WPK auch über wesentliche rechtskräftige berufsaufsichtliche Maßnahmen unter Nennung der Betroffenen gegenüber der Öffentlichkeit berichten dürfen (Nennung von „Ross und Reiter“, insoweit Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht beider Aufsichtsstellen).

(PM WPK vom 28.10.2020)