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EuGH: Befreiung von eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind

– Dienstleistungen an einen Nichtsteuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung des Dienstleistungserbringers

EuGH, Urteil vom 11.5.2023 – C-620/21

1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass zum einen soziale Dienstleistungen, die an natürliche Personen erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem der Leistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, nach dieser Bestimmung von der Steuer befreit sein können und es zum anderen insoweit irrelevant ist, dass der Leistungserbringer eine in diesem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft in Anspruch genommen hat, um seine Kunden zu kontaktieren.

2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass dann, wenn eine Gesellschaft soziale Dienstleistungen an natürliche Personen erbringt, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, die Art dieser Dienstleistungen und die Merkmale dieser Gesellschaft zum Zweck der Bestimmung, ob diese Dienstleistungen unter die Wendung „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen …, die durch … von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“ im Sinne dieser Bestimmung fallen, nach dem – der Umsetzung der Richtlinie 2006/112 in der geänderten Fassung dienenden – Recht des Mitgliedstaats, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, zu prüfen sind.

3. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft, die soziale Dienstleistungen erbringt, bei einer öffentlichen Einrichtung des Besteuerungsmitgliedstaats als Erbringerin sozialer Dienstleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats eingetragen ist, nur dann für die Annahme ausreicht, dass diese Gesellschaft unter den Begriff „von dem betreffenden Mitgliedstaat als [Einrichtung] mit sozialem Charakter anerkannte [Einrichtung]“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn für eine entsprechende Eintragung Voraussetzung ist, dass die zuständigen nationalen Behörden zuvor den sozialen Charakter dieser Gesellschaft für die Zwecke dieser Bestimmung geprüft haben.

(Tenor)

Volltext BB-Online BBL2023-1173-1