BAG, Urteil vom 25.1.2023 – 10 AZR 116/22
1. Durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingungen stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. §§ 305 ff. BGB dar, deren Auslegung durch das Berufungsgericht der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (Rn. 19, 21).
2. Lässt die Auslegung einer durch betriebliche Übung begründeten Vertragsbedingung – hier die Zahlung eines Weihnachtsgelds – unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände mehrere Ergebnisse zu, ohne dass ein Auslegungsergebnis den klaren Vorzug verdient, besteht ein nicht behebbarer Zweifel iSv. § 305c Abs. 2 BGB. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall die ihm ungünstigste und für den Arbeitnehmer als Vertragspartner günstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Das ist diejenige, die der Klage zum Erfolg verhilft (Rn. 18).
3. Die Bezeichnung einer Leistung als „Weihnachtsgeld“ lässt neben einer möglichen Auslegung als arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung auch die Deutung zu, dass der Arbeitgeber sich mit der Zahlung anlassbezogen an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen der Arbeitnehmer beteiligen will. Im letzteren Fall hängt die Leistung regelmäßig nicht von der Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung ab (Rn. 22).
4. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, eine Sonderzahlung, welche nicht ausschließlich der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung dient, aufgrund fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums einseitig zu kürzen. Vielmehr setzt eine Kürzung das Vorliegen einer individualrechtlichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarung iSv. § 4a EFZG voraus (Rn. 35 ff.)
(Orientierungssätze)