Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen – fragliche Wirkung
Bei unternehmerischen Handelsbeziehungen ist das Verlangen einer Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer wegen des Vorsteuerabzugs ein Anreiz für das nachfragende Unternehmen. Fragen Haushalte Güter oder Dienstleistungen nach, spielt dies keine Rolle. Haushalte haben eher einen Vorteil, wenn sie keine Rechnung verlangen, da so üblicherweise ein um die Mehrwertsteuer verminderter Preis gezahlt wird. Mehrere Länder, unter ihnen auch Deutschland, führten deswegen Maßnahmen ein, mit denen das gesteigerte Verlangen nach einer Rechnung bei privaten Haushalten angeregt werden sollte. So sollte die Preisdifferenz zwischen legal und illegal erbrachten Dienstleistungen verringert werden. In Deutschland führte der Gesetzgeber § 35a EStG, “Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen” ein. Für haushaltsnahe Dienstleistungen, die keine Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind, kann die tarifliche Einkommensteuer um 20 % höchstens aber 4000 Euro gemindert werden; bei Renovierungsleistungen um 20 % höchstens 1200 Euro.
Das ifo-Institut hat nun die Wirksamkeit der Maßnahme in einer Studie untersucht (ifo Schnelldienst 2/2003 vom 15.2.2023). 1974 deutsche Wohneigentümer nahmen an der Studie teil. Die Teilnehmer wurden in der Umfrage in die Lage versetzt, dass sie jemanden mit einer Dienstleistung in ihrem Haushalt beauftragen wollen, z. B. um Wände zu streichen. Die Studie untersucht die Wirkung bei einfachen und nicht so umfangreichen Arbeiten. Die Teilnehmer der Studie mussten zwischen zwei Angeboten wählen, die sich im Hinblick auf den Preis – mit und ohne Rechnung – und andere Merkmale unterschieden. Dem Teilnehmer wurde eins von sechs politischen Szenarien zugewiesen, die unterschiedliche Steuervergünstigungen abbildeten. Die Szenarien reichten von keiner Steuervergünstigung, Steuervergünstigungen über die Steuererklärung mit Sätzen von 20 % und 30 %, Erstattung durch den Anbieter von 20 % bzw. 30 % sowie Erstattung und Satz von 30 %, bei der der Endpreis, d. h. der finanzielle Vorteil, den Teilnehmern angezeigt wird. Eine Steuererstattung von 20 % erhöht die Zahlungsbereitschaft der Haushalte um 8 Prozentpunkte, während sich bei dem Modell der Vergünstigung bei Leistungserbringung die Zahlungsbereitschaft um 14 Prozentpunkte erhöht. Liegt dagegen der Erstattungssatz bei 30 %, so steigt die Bereitschaft das Modell Steuererstattung über die Steuererklärung zu wählen. Insgesamt lässt sich ein Zusammenspiel aus Erstattungssatz und Umsetzung feststellen.
Die Studie kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass der Erhalt der Rechnung die wichtigste Determinante der Entscheidung zwischen zwei Angeboten ist. Zwei zentrale Schlussfolgerungen und Implikationen zeigen sich nach Auffassung der Autoren der Studie: Gibt es eine Steuervergünstigung, steigt die Bereitschaft der Haushalte, Angebote mit Rechnung nachzufragen, d. h. die Zahlungsbereitschaft für Angebote mit Rechnung steigt. Die Steuervergünstigung führt demnach dazu, dass die Nachfrage nach legal erbrachten Dienstleistungen steigt. Allerdings sei die Zunahme der Steuerehrlichkeit begrenzt, da die Studie gezeigt habe, dass es sowieso eine große Bereitschaft gäbe, Dienstleistungen auf Rechnung nachzufragen, auch wenn es keine Steuervergünstigung gibt. So hätten zwei von drei Teilnehmern angegeben, die Steuervergünstigung zwar in Anspruch zu nehmen, sie hätten die Leistung aber auch ohne Steuervergünstigung mit Rechnung nachgefragt. So lässt sich ein Mitnahmeeffekt ohne große Wirkung konstatieren. Ferner reagieren die Haushalte nur wenn ein hoher Erstattungssatz und eine einfache Handhabung zusammenkommen. So hätte ein Endpreis, der die Steuervergünstigung ausweist, eine starke Wirkung. Während der bürokratische Aufwand, um die Erstattung zu erlangen, sich negativ auf die Bereitschaft zur Nachfrage von Dienstleistungen auf Rechnung auswirkt. Außerdem sei von Bedeutung, ob die Haushalte die Dienstleistung legal nachfragten, wie hoch der Preisaufschlag bei einem Angebot mit Rechnung gegenüber einem Angebot ohne Rechnung sei.
Als Empfehlung lässt sich aus der Studie ableiten, dass der Gesetzgeber die Leistungserbringer verpflichten solle, in ihren Angeboten den Endpreis, d. h. Preis abzüglich der Steuervergünstigung, anzugeben.
Prof. Dr. iur. Michael
Stahlschmidt
, M.R.F., LL.M., MBA LL.M, RA/FAStR/FAInsSanR/FAMedR/StB, Dipl.-Betriebswirt/FH, lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling und ist Ressortleiter des Ressorts Steuerrecht des Betriebs-Berater und Chefredakteur Der SteuerBerater.
Stahlschmidt, StB 2023, Heft 03, Umschlagteil, I