Die Kommission hat einen Plan vorgestellt, wie sie Europas Wettbewerbsfähigkeit erhöhen will. Der „grüne Industrieplan“ (Green Deal Industrial Plan) soll insbesondere die Netto-Null-Industrie (also die CO2-neutrale Industrie) stärken und den raschen Übergang zur Klimaneutralität unterstützen. Der Plan baut auf früheren Initiativen auf und stärkt den EU-Binnenmarkt, wobei er die laufenden Programme des Europäischen Green Deal und von REPowerEU ergänzt. Er stützt sich auf vier Säulen: ein günstiges Regelungsumfeld für die Netto-Null-Industrie, ein schnellerer Zugang zu Finanzmitteln, die richtigen Kompetenzen für Arbeitskräfte und ein offener Handel für widerstandsfähige Lieferketten.
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, sagte: „Wir haben die einmalige Gelegenheit, mit Schnelligkeit, Ehrgeiz und Zielstrebigkeit den Weg zu weisen, um die industrielle Führung der EU in dem schnell wachsenden Sektor der Netto-Null-Technologie zu sichern. Europa ist entschlossen, die Revolution im Bereich der sauberen Technologien anzuführen.“
Die Kommissionspräsidentin erläuterte den Industrieplan auf einer Pressekonferenz und sagte: „Für ihr Wachstum brauchen unsere Netto-Null-Industrien ein günstiges Regelungsumfeld. Die Industrie braucht für ihre massiven Investitionen die Verlässlichkeit und Reaktionsfähigkeit der Behörden. Wir werden daher ein Netto-Null-Industrie-Gesetz vorschlagen. Dieses Gesetz wird den Schwerpunkt auf Schlüsseltechnologien für den Übergang zur Emissionsfreiheit legen. Es wird Kapazitätsziele für 2030 festlegen. Es wird die Genehmigung von Mehrländerprojekten beschleunigen und Anreize für solche Projekte schaffen. Um die großen Mengen an benötigten Rohstoffen zu sichern, werden wir ein entsprechendes Rohstoffgesetz vorschlagen. Es wird die Gewinnung in der EU, die Verarbeitung und das Recycling sowie die Suche nach biobasierten Alternativen erleichtern. Energie, insbesondere Strom, ist neben Rohstoffen das zweite Kernelement, das unsere Industrie für ihre Wettbewerbsfähigkeit braucht. Im März werden wir eine Reform der Gestaltung des Strommarkts vorlegen. Die Stromverbraucher sollten von den niedrigen Kosten erneuerbarer Energien profitieren können.“
Ein vereinfachter Rechtsrahmen
Die Kommission wird ein Netto-Null-Industrie-Gesetz vorschlagen. Darin sollen Ziele für die Netto-Null-Industrie festgelegt und ein Regelungsrahmen geschaffen werden, der vereinfachte und beschleunigte Genehmigungen gewährleistet, europäische strategische Projekte fördert und Normen entwickelt, um Technologien im gesamten Binnenmarkt zu fördern.
Ergänzt wird dieser Rahmen durch das Gesetz über kritische Rohstoffe. Es soll einen ausreichenden Zugang zu Materialien wie seltenen Erden sicherstellen, die für die Herstellung von Schlüsseltechnologien unerlässlich sind. Hinzu kommt die Reform des Strommarktes, damit die Verbraucher von den niedrigeren Kosten der erneuerbaren Energien profitieren können.
Schnellerer Zugang zu Finanzmitteln
Die zweite Säule des Plans sind Investitionen und die Finanzierung der Produktion sauberer Technologien in Europa. Durch öffentliche Finanzierung in Verbindung mit Fortschritten bei der Europäischen Kapitalmarktunion sollen die enormen Mengen an privater Finanzierung freigesetzt werden, die für den grünen Übergang erforderlich sind.
Im Rahmen der Wettbewerbspolitik will die Kommission gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt gewährleisten und es den Mitgliedstaaten gleichzeitig erleichtern, für den grünen Wandel erforderliche Beihilfen zu gewähren. Um dies zu beschleunigen, wird die Kommission die Mitgliedstaaten zu einem geänderten Vorübergehenden Krisen- und Übergangsrahmen für staatliche Beihilfen konsultieren und die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung im Hinblick auf den Green Deal überarbeiten. Die Anmeldeschwellen für die Förderung grüner Investitionen soll zum Beispiel erhöht werden. Dies wird unter anderem zu einer weiteren Straffung und Vereinfachung der Genehmigung von Projekten im Zusammenhang mit IPCEI (Important Projects of Common European Interest) beitragen.
Die Kommission wird auch die Nutzung bestehender EU-Fonds zur Finanzierung von Innovation, Herstellung und Einsatz sauberer Technologien erleichtern. Die Kommission prüft derzeit, ob eine stärkere gemeinsame Finanzierung zur Förderung von Investitionen in Netto-Null-Technologien möglich ist. Kurzfristig wird die Kommission mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und sich dabei auf REPowerEU, InvestEU und den Innovationsfonds konzentrieren, um eine Überbrückungslösung für eine schnelle und gezielte Unterstützung zu finden. Mittelfristig beabsichtigt die Kommission, eine strukturelle Antwort auf den Investitionsbedarf zu geben, indem sie im Rahmen der Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens vor dem Sommer 2023 einen Europäischen Souveränitätsfonds vorschlägt.
Um den Mitgliedstaaten den Zugang zu den REPowerEU-Mitteln zu erleichtern, hat die Kommission neue Leitlinien für Konjunktur- und Resilienzpläne angenommen, in denen das Verfahren zur Änderung bestehender Pläne und die Modalitäten für die Erstellung der REPowerEU-Kapitel erläutert werden.
Verbesserung der Kompetenzen
Bereits heute beklagen fast 30 Prozent der Unternehmen, die Elektrogeräte herstellen, einen Mangel an Arbeitskräften. So wird sich der grüne Industrieplan in der dritten Säule darauf konzentrieren, die Chancen, die der Europäischer Kompetenzpakt und das Jahr der Kompetenzen 2023 bieten, bestmöglich zu nutzen.
Um die Fähigkeiten für einen auf den Menschen ausgerichteten grünen Übergang zu entwickeln, wird die Kommission Net-Zero-Industrie-Akademien vorschlagen. So sollen Programme zur Qualifizierung und Umschulung in strategischen Branchen eingeführt werden. Sie wird auch eine Kombination prüfen aus einem „Skills-first“-Ansatz, der die tatsächlichen Fähigkeiten anerkennt, und bestehenden Ansätzen, die auf Qualifikationen basieren. Weiter soll der Zugang von Drittstaatsangehörigen zu den EU-Arbeitsmärkten in vorrangigen Sektoren erleichtert werden, dazu kommen Maßnahmen zur Förderung und Angleichung der öffentlichen und privaten Finanzierung für die Entwicklung von Fähigkeiten.
Offener Handel für widerstandsfähige Lieferketten
Bei der vierten Säule geht es um die globale Zusammenarbeit und darum, den Handel für den grünen Übergang nutzbar zu machen. Dies soll nach den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs und des offenen Handels geschehen, aufbauend auf dem Engagement mit den Partnern der EU und der Arbeit der Welthandelsorganisation.
Zu diesem Zweck wird die Kommission das EU-Netz von Freihandelsabkommen und andere Formen der Zusammenarbeit mit Partnern zur Unterstützung des grünen Übergangs weiter ausbauen. Sie wird auch die Gründung eines Clubs für kritische Rohstoffe prüfen, der Rohstoffverbraucher und rohstoffreiche Länder zusammenbringen soll, sowie die Gründung von Industriepartnerschaften für saubere Technologien.
Die Kommission wird den Binnenmarkt auch vor unfairem Handel im Bereich der sauberen Technologien schützen und ihre Instrumente einsetzen, um sicherzustellen, dass ausländische Subventionen den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verzerren, auch nicht im Bereich der sauberen Technologien.
(PM EU-Kommission – Vertretung in Deutschland – vom 1.2.2023)