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BAG: Arbeitnehmerüberlassung – tariflich verlängerte Überlassungsdauer

Das BAG hat mit Urteil vom 14.9.2022 – 4 AZR 83/21 – wie folgt entschieden:

1. Die Überlassungsdauer iSd. § 1 Abs. 1b AÜG ist nicht „arbeitsplatz-“, sondern „arbeitnehmerbezogen“ anhand der Dauer der Eingliederung des überlassenen Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Entleihers zu bestimmen. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist mit Unionsrecht vereinbar (Rn. 12 ff.).

2. Ein Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG muss eine konkrete zeitliche Grenze der Überlassungsdauer festlegen, durch die der vorübergehende Charakter der Arbeitnehmerüberlassung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG gewahrt wird (Rn. 20 ff.).

3. Die Geltung eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG setzt allein die Tarifgebundenheit der Entleiherin voraus. Die Festlegung einer von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG abweichenden Überlassungshöchstdauer ist auch für die Verleiherin und den überlassenen Arbeitnehmer unabhängig von deren Tarifgebundenheit maßgebend. Der Gesetzgeber hat damit die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche zur Normsetzung über die im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) und deren Bindungswirkung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) hinaus erweitert (Rn. 23 ff.).

4. Die in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG enthaltene Regelungsermächtigung allein zugunsten der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Selbst wenn dadurch die positive Koalitionsfreiheit der Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche nach Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt werden sollte, wäre dies verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Regelung dient einem legitimen Ziel und ist auch im Übrigen verhältnismäßig (Rn. 37 ff.). Die gesetzliche Bestimmung führt auch nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG (Rn. 53 ff.).

5. Die gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG ist auch ohne Festlegung einer absoluten Überlassungshöchstgrenze für tarifvertragliche Regelungen mit Unionsrecht vereinbar (Rn. 57 ff.).

6. Die im zwischen Südwestmetall und IG Metall geschlossenen Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit vom 31. Mai 2017 vereinbarte Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten hält sich im Rahmen dessen, was als „vorübergehend“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG anzusehen ist (Rn. 73 ff.).

(Orientierungssätze)