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EuGH: Dobeles HES – Eine staatliche Beihilfe kann nicht durch eine gerichtliche Entscheidung eingeführt werden

EuGH, Urteil vom 12.1.2023 – C-702/20, C-17/21

1.      Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, wonach das zugelassene Stromversorgungsunternehmen verpflichtet ist, Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu einem höheren Preis als dem Marktpreis zu kaufen, und die sich daraus ergebenden Mehrkosten durch eine von den Endverbrauchern getragene obligatorische Abgabe finanziert werden, oder die vorsieht, dass die zur Finanzierung dieser Mehrkosten dienenden Gelder stets unter staatlicher Kontrolle bleiben, eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2.      Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass dass die Einstufung eines Vorteils als „staatliche Beihilfe“ im Sinne dieser Bestimmung nicht davon abhängt, dass der betreffende Markt zuvor vollständig liberalisiert wurde.

3.      Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass, sofern mit einer nationalen Regelung eine staatliche Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung eingeführt wird, die Zahlung eines Betrags, der in Anwendung dieser Regelung gerichtlich geltend gemacht wird, ebenfalls eine solche Beihilfe darstellt.

4.      Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass im Fall einer nationalen Regelung, mit der ein gesetzlicher Anspruch auf eine höhere Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energiequellen eingeführt wird und die eine „staatliche Beihilfe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, Klagen auf vollständige Gewährung dieses Rechts als Anträge auf Zahlung des noch nicht erhaltenen Teils dieser staatlichen Beihilfe anzusehen sind und nicht als Anträge auf Gewährung einer gesonderten staatlichen Beihilfe durch das angerufene Gericht.

5.      Die Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] auf De-minimis-Beihilfen, insbesondere ihr Art. 5 Abs. 2, ist dahin auszulegen, dass die Einhaltung der in ihrem Art. 3 Abs. 2 festgelegten De-minimis-Schwelle anhand des im Rahmen der einschlägigen nationalen Regelung geforderten Beihilfebetrags, kumuliert mit den Zahlungen, die für den Referenzzeitraum aufgrund dieser Regelung bereits bezogen wurden, zu beurteilen ist.

6.      Art. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] ist dahin auszulegen, dass eine staatliche Beihilfe, die keiner der in Art. 1 Buchst. b der Verordnung vorgesehenen Kategorien bestehender Beihilfen entspricht, einschließlich ihres Teils, dessen Zahlung später verlangt wird, als „neue Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung einzustufen ist.

7.      Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 der Verordnung 2015/1589 sind dahin auszulegen, dass das nationale Gericht einem Antrag auf Zahlung eines Betrags, der einer neuen, nicht bei der Kommission angemeldeten Beihilfe entspricht, unter dem Vorbehalt stattgeben kann, dass die betreffenden nationalen Behörden die Beihilfe zuvor ordnungsgemäß bei der Kommission anmelden und dass sie von der Kommission genehmigt wird oder als von ihr genehmigt gilt.

8.      Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass es für die Beurteilung des Vorliegens „staatlicher Beihilfen“ im Sinne dieser Bestimmung irrelevant ist, dass die Beträge von einer anderen Behörde verlangt werden als der, die sie nach der betreffenden nationalen Regelung grundsätzlich zu zahlen hat und deren Haushalt ausschließlich ihre eigene Funktionsfähigkeit gewährleisten soll.

(Tenor)