Haftung von Anlegern, Beratern und Instituten in Cum-Ex Verfahren – BB-Fachkonferenz am 23.6.2020 in Frankfurt a. M.

Am 23.6.2020 fand im Hotel Hilton Frankfurt die BB-Fachkonferenz “Haftung von Anlegern, Beratern und Instituten in Cum-Ex Verfahren” unter besonderer Atmosphäre statt. Der Chefredakteur des Betriebs-Berater, Professor Jens M. Schmittmann, begrüßte die Teilnehmer und wies zunächst auf die organisatorischen Notwendigkeiten hin, die sich aufgrund des Hygienekonzeptes ergaben. Sämtliche Veranstaltungen des BB sind mit dem Clean & Safe Siegel der InfraCert GmbH – Institut für Nachhaltige Entwicklung versehen, da weitreichende Sicherheits- und Hygienestandards eingehalten werden. Die Überwachung des Hygienekonzeptes oblag dem Hygienebeauftragten Torsten Merk, der vorgestellt wurde. 

Historische Entwicklung

Dr. Heiko Gemmel, Hogan Lovells, stellte die historische Entwicklung der sog. “Cum-Ex-Geschäfte” dar. Bereits seit den 1970er Jahren sind die Geschäfte bekannt, liefen aber unter dem Namen Dividendenstripping. Er wies auf die besondere Bedeutung bei den Gestaltungen auf das Urteil des BFH vom 15.12.1999 hin. Hier entschied der BFH, dass es auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ankommt. Dies war der Startschuss für die “Cum-Ex-Geschäfte”. Anschließend stellte er die technische Abwicklung dieser Geschäfte dar. Sodann ging er auf das Urteil des FG Köln ein und bot einen Überblick über Abwandlungen von sog. “Cum-Ex”-Geschäften wie Mehrfachverwendung von Aktien (“Recycling”, “Looping”), Durchführung von Cum-Ex-Strukturen über Investmentfonds, Delayed Settlememnt Transactions, Nutzung von ETF's für Cum-Ex-Strukturen und schließlich noch ADR /Pre-Release Depositary Receipts (“Cum/Fake”). 

Florian Lechner beim Vortrag

Haftung von Anlegern, Beratern und Instituten

Florian Lechner, Jones Day, knüpfte an die Ausführungen an und widmete sich der Haftung von Anlegern, Beratern und Instituten. Er illustrierte den Überblick über die Haftung und führte aus, dass mehr als 800 Ermittlungsverfahren gegen beteiligte Personen im In- und Ausland derzeit laufen. Ferner gibt es Rückforderungsansprüche der Finanzverwaltung gegen Finanzinstitute im teilweise dreistelligen Millionenbereich seit 2012. Die Rechtsprechung wurde kurz gestreift und geschildert, dass bereits 2014 die HVB mit den Rafael Roth-Erben einen Vergleich über die Rückzahlung von Kapitalertragsteuer schlossen. Ein weiterer wirtschaftlicher Meilenstein war die Insolvenz der Maple-Bank. Daneben sind verschiedene Schadensersatzklagen gegen Banken und die erste strafrechtliche Verurteilung vom LG Bonn ergangen. Anschließend stellte er die zahlreichen relevanten Risiken und Haftungstatbestände vor, die sowohl im Strafrecht als auch im Ordnungswidrigkeitenrecht, im Steuerrecht und im Zivilrecht zu finden sind. EBA 10-Punkte Aktionsplan der EU war das Schlussthema des Vortrages. Am 12.5.2020 wurde ein Bericht vorgelegt, der den Untersuchungsstand zu (“Cum-Ex/Cum-Cum”) wiedergibt und einen Aktionsplan, der unter anderem enthält, dass die Regulatoren dazu gebracht werden sollen, diese Geschäfte als rechtswidrig zu brandmarken. Ziel ist jedenfalls diese Phänomene für die Zukunft auszuschalten. 

Sicht der Medien

Nach der Mittagspause beleuchtete Volker Votsmeier, Handelsblatt, die Thematik aus Sicht der Medien. Der Überblick über die zivilrechtlichen Streitigkeiten zeigt, dass im Grunde jeder gegen jeden kämpft. Auch die Auflistung der öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zeigt, dass namhafte Banken in den Themenkomplex verwickelt sind. Mit der Darstellung der strafrechtlichen Verfahren und Ermittlungskomplexe endete der Überblick. Es folgte die sehr interessante Darstellung, wie Volker Votsmeier zu dieser Thematik kam und diese weiterverfolgt hat, von den kleinen Anfängen bis hin zu der nunmehr vorhandenen medialen Aufmerksamkeit. Dabei erfuhren die Teilnehmer, wie sich das Thema in den Medien aufgebaut hat und dass die Berichterstattung in diesem Bereich noch einige Jahre weitergehen wird. 

Professor Ahlbrecht beim Vortrag

Strafverteidigung

Professor Heiko Ahlbrecht, Wessing & Partner, stellte voran, dass er das Thema aus Sicht des Strafverteidigers bearbeitet. Auch er begann mit einem historischen Abriss, mit den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen 2012 und dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss 2015–2017. Auch er stellte heraus, dass die derzeitigen Verfahren weit über 1000 Beschuldigte beträfen. Erörtert wurde auch die im 2. Corona-Steuerhilfegesetz versteckte Verlängerung der Verjährung von 20 Jahren auf 25 Jahre. Aber die bedeutsamste Änderung ist die geplante Einführung der Einziehungsmöglichkeiten von materiell-steuerrechtlich verjährten Forderungen. Anschließend wandte er sich den einschlägigen Strafrechtsnormen zu, die im Zusammenhang mit “Cum-Ex” verwirklicht werden können, wie Steuerhinterziehung, Betrug und Geldwäsche. Danach beschrieb er die Aufnahme der Verteidigung beginnend mit dem Mandanten. Die wesentlichen Parameter sind Kronzeugen, Beschuldigte als Beweismittel, Dokumentation der Handlungen, Haftungsfragen und Haftungsgefahr. Er wies auf die offenen materiell-rechtlichen steuerrechtlichen Fragen ebenso hin wie auf die Frage der Mittäterschaft oder Beihilfe. Die Grundsätze der berufsneutralen Handlung fanden auch den Weg in seinen Vortrag. Schließlich ist aber auch maßgebend, was wussten die Mandanten? Kommt vielleicht ein Verbotsirrtum in Betracht? Liegt vielleicht ein Steuergutachten vor? Es schlossen sich die verfahrensrechtlichen Fragen im Strafverfahren an wie z. B. die grundsätzliche Positionierung, Haftgefahr, Verfahrensführung, Selbstleseverfahren und Beweisanträge. 

Auditorium

Strafbarkeit juristischer Berater

Nach der Kaffeepause am Nachmittag setzte Dr. Matthias Dann, Wessing & Partner, die Betrachtung mit den allgemeinen Grundsätzen zur Strafbarkeit juristischer Berater fort. Er vertiefte insbesondere die strafrechtliche Relevanz juristischer Gutachten. Nach seiner Aussage kann ein Gutachten, das den Regeln des anwaltlichen Berufsrechts folgt, keine Strafbarkeit nach sich ziehen. Ansonsten wäre Rechtsrat und Gestaltungsberatung kaum durchführbar. Anerkannt ist aber, dass der Berater sämtliche strafrechtlichen Beteiligungsformen verwirklichen kann. Er berichtete, dass diese “Vermutung des ersten Anscheins” im Einzelfall erschüttert sein kann und so lautet der erste Prüfungsschritt: Liegt eine berufstypische Handlung vor, ja oder nein? Bei den Beteiligungsformen wird gefragt, ob der Beratene seinen Tatentschluss in Abhängigkeit des Ergebnisses der Beratung gefasst hat, dann kann die Strafbarkeit des Beraters wegen Anstiftung zu der vom Beratenen begangenen vorsätzlichen rechtswidrigen Straftat im Raum stehen. Er beschrieb die Anforderungen des BGH an die Gutachten. Diese richten sich zunächst nach dem Auftrag des Mandanten. Hierzu gehört auch die Übermittlung eines verfälschten oder unvollständigen Sachverhaltes. Zusammenfassend stellte er fest, dass die berufsrechtlichen Verhaltenserwartungen des BGH Maßstab für die strafrechtliche Beurteilung sind. 

Bernd Groß beim Vortrag

Strafprozessuale Haftung als Neben-/ Einziehungsbeteiligte

Dr. Bernd Groß, Feigen Graf, fuhr fort mit dem Thema “Strafprozessuale Haftung als Neben-/Einziehungsbeteiligte”. Er stellte zunächst dar, dass sämtliche Ermittlungsantriebe der Staatsanwaltschaften auf die öffentliche Berichterstattung der Medien zurückzuführen sind, die auf die Verjährung der Straftaten hinwiesen. Er schilderte auf eloquente Weise Eindrücke aus dem ersten Strafprozess vor dem LG Bonn. Die Norm des § 130 OWiG wurde ebenso detailreich dargestellt wie die Voraussetzungen der Einziehung nach der StPO

Zivilrechtlichen Haftung von Beteiligten an “Cum-Ex”-Steuergestaltungen

Den Schlusspunkt der Vorträge setzte Professor Tim Florstedt, EBS Wirtschaft und Recht gGmbH, mit dem Thema der zivilrechtlichen Haftung von Beteiligten an “Cum-Ex”-Steuergestaltungen. Er führte mit der Bedeutung der zivilrechtlichen Aufarbeitung in das Thema ein. Zunächst stellte er drei Prämissen dar, ohne die eine zivilrechtliche Haftung überhaupt nicht vorstellbar ist. Zum einen darf das wirtschaftliche Eigentum nicht übergehen. Es muss ein Fall des § 42 AO vorliegen und es muss sich um eine Steuerhinterziehung handeln. Aber auch wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist die Haftung über zivilrechtliche Normen kaum darstellbar. Die Lösung ist § 44 EStG, der die Beteiligten an der Kapitalertragsteuererstattung zu Gesamtschuldnern i. S. d. § 426 BGB macht. Professor Tim Florstedt beschrieb die Anforderungen an das Gutachten aus Sicht des BGH. Danach muss der Sachverhalt offengelegt werden. Es muss sich um einen unbetroffenen Gutachter handeln. Ferner muss das Gutachten plausibel sein. Nur wenn diese drei Voraussetzungen vorliegen, ist das Gutachten rechtlich verwertbar. 

Diskussionsrunde

Podiumsdiskussion

Es schloss sich eine muntere Podiumsdiskussion an, durch die Professor Jens M. Schmittmann auf fachkundige, elegante und unterhaltsame Art führte und an der sich die Teilnehmer durch substantiierte Fragen beteiligten. Anschließend fasste Schmittmann den Tag zusammen und verabschiedete die Teilnehmer. 

Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, M.R.F. LL.M., MBA LL.M., RA/StB/FAStR/FAInsR, Ressortleiter Steuerrecht BB