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BAG: Urlaubsabgeltung – Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen – Erfüllungsreihenfolge bei Urlaubsgewährung ohne Tilgungsbestimmung

Das BAG hat mit Urteil vom 1.3.2022 – 9 AZR 353/21 – wie folgt entschieden:

1. Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff handelt es sich bei den Ansprüchen auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, des Tarifurlaubs und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen um verschiedene Streitgegenstände, weil ihnen eigenständige, auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten beruhende Anspruchsvoraussetzungen zugrunde liegen (Rn. 12).

2. Differenziert eine Regelung in einem Arbeits- oder Tarifvertrag hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und übergesetzlichem Mehrurlaub, gelten jedoch für beide Urlaubsarten eigenständige Regelungen, findet § 366 BGB analoge Anwendung, wenn die Urlaubsansprüche im Urlaubsjahr nur teilweise erfüllt werden (Rn. 27 ff.).

3. Gewährt der Arbeitgeber Urlaub, der nicht zur Erfüllung sämtlicher Urlaubsansprüche ausreicht, erfolgt die Bestimmung der Tilgungsreihenfolge im Verhältnis des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen zu sonstigen Erholungsurlaubsansprüchen in unmittelbarer Anwendung des § 366 BGB (Rn. 32).

4. Gewährt ein Arbeitgeber Erholungsurlaub, der nicht zur Erfüllung sämtlicher Urlaubsansprüche ausreicht, ist beim Fehlen einer Tilgungsbestimmung die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Tilgungsreihenfolge unter Berücksichtigung der Besonderheiten des gesetzlichen Mindesturlaubs und zur Vermeidung systemwidriger Ergebnisse dahingehend zu modifizieren, dass zunächst die gesetzlichen Urlaubsansprüche und erst dann den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Urlaubsansprüche getilgt werden (Rn. 33 ff.).

(Orientierungssätze)