Das BAG hat mit Urteil vom 24.2.2022 – 6 AZR 333/21 – wie folgt entschieden:
1. Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Fall des Nichtzustandekommens eines Aufhebungsvertrags eine außerordentliche Kündigung in Aussicht und durfte ein verständiger Arbeitgeber eine solche nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, ist diese Drohung widerrechtlich (Rn. 14).
2. Der Prüfungsmaßstab des verständigen Arbeitgebers gilt auch, wenn auf Seiten des Arbeitgebers bei Ausspruch der Drohung ein Rechtsanwalt zugegen ist oder dieser die Drohung selbst ausspricht (Rn. 16 ff.).
3. Das Gebot fairen Verhandelns als vertragliche Nebenpflicht iSd. § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB gebietet die Wahrung eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags. Die Interessen der Gegenseite sind angemessen zu berücksichtigen, ohne dass eigene Interessen verleugnet werden müssen (Rn. 22). Das Gebot schützt – im Gegensatz zu § 138 BGB – nicht den Inhalt des Vertrags, sondern den Weg zum Vertragsschluss (Rn. 23).
4. Ob in einer konkreten Verhandlungssituation dieses Mindestmaß an Fairness ausnahmsweise nicht mehr gewahrt wurde, ist anhand der Gesamtumstände im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Den Tatsachengerichten kommt dabei ein vom Revisionsgericht nur eingeschränkt zu überprüfender Beurteilungsspielraum zu (Rn. 25).
5. Das Gebot fairen Verhandelns ist nicht allein deswegen verletzt, weil der Arbeitgeber den von ihm angebotenen Aufhebungsvertrag gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet. Dass der Arbeitnehmer dieses Angebot nur sofort annehmen kann und daher entgegen einer ggf. geäußerten Bitte keine (weitere) Bedenkzeit erhält und/oder keinen Rechtsrat einholen kann, ist ein im Rahmen von Vertragsverhandlungen zulässiger Druck und nicht unfair (Rn. 27 ff.).
6. Erweist sich im Rahmen der Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag eine Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung als nicht widerrechtlich iSd. § 123 Abs. 1 BGB, stellt dieses Verhalten des Arbeitgebers auch keine Pflichtverletzung iSd. § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar (Rn. 32).
(Orientierungssätze)