Der von der Bundesregierung geplante feste Satz für Finanzamtszinsen bei Nachzahlungen und Erstattungen ist am Montag in einer Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung des Ausschussvorsitzenden Alois Rainer (CSU) von den meisten Sachverständigen begrüßt worden. Hinterfragt wurden allerdings die neue Höhe des Zinssatzes von 1,8 Prozent im Jahr sowie in Zukunft unterschiedliche Zinssätze bei ähnlichen Sachverhalten. Der Satz von 1,8 Prozent soll den vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr ersetzen.
Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (20/1633). Damit will die Bundesregierung den Zinssatz ab 1.1.2019 rückwirkend verfassungskonform ausgestalten. Die Angemessenheit des neuen Zinssatzes von 0,15 Prozent pro Monat (1,8 Prozent pro Jahr) soll alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume evaluiert werden. Die erste Evaluierung soll zum 1.1.2026 erfolgen. Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr Mindereinnahmen von 2,46 Mrd. Euro und im kommenden Jahr von 530 Mio. Euro.
Burkhard Binnewies (Kanzlei Streck Mack Schwedhelm) sprach sich dafür aus, einen einheitlichen Zinssatz für alle erfassten Zinstatbestände einzuführen. Bei Stundungs- und Aussetzungszinsen sollte auch der neue Satz von 0,15 Prozent im Monat und nicht weiter der Satz von 0,5 Prozent gelten. Der Entwurf der Bundesregierung stelle einen „Systembruch“ dar. Binnewies sprach sich weiter dafür aus, Erstattungszinsen nicht mehr als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu besteuern, da Nachforderungszinsen bei der Steuer nicht zum Abzug zugelassen seien.
Auch der Deutsche Steuerberaterverband und die Bundesteuerberaterkammer mahnten eine Anpassung der anderen Zinssätze an. Der Steuerberaterverband bezeichnete den Satz von 1,8 Prozent als insgesamt zu hoch. Null Prozent sei der einzig richtige Satz.
Professor Andreas Musil (Universität Potsdam) verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass die im Gesetzentwurf geregelten Zinsen Liquiditätsvorteile ausgleichen sollten, die im Besteuerungsverfahren entstehen würden. Ob und wann diese Vorteile entstehen würden, könne der Steuerpflichtige nicht beeinflussen. Deshalb sei es verfassungsrechtlich zwingend, dass die Zinslast die Vorteile noch realitätsgerecht abbilde. „Dieser enge Konnex besteht bei anderen Zinsarten in dieser Deutlichkeit nicht. Im Gegenteil dienen andere Zinsen ganz anderen Funktionen“, so Musil.
Der Bund der Steuerzahler begrüßte die Wahl eines starren Zinssatzes. Nicht verständlich sei jedoch die gewählte Höhe von 1,8 Prozent. Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass der Zuschlag einen angemessenen Mittelwert zwischen Haben- und Darlehenszins darstelle, sei nicht transparent. Die Überprüfung des Zinssatzes solle auch nicht alle drei Jahre erfolgen, sondern jährlich. Ebenso wie Professor Binnewies übte auch der Bund der Steuerzahler Kritik an der steuerrechtlichen Behandlung der Zinsen. Die Nichtabzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen habe die Unternehmen stark belastet. Daher sollten Erstattungszinsen entweder wieder steuerfrei werden oder Nachzahlungszinsen zumindest abzugsfähig.
Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft vermissten ebenfalls Transparenz. Es sei nicht nachzuvollziehen, welche Berechnungsgrundlagen und Erwägungen zu einem Zinssatz von 1,8 Prozent pro Jahr geführt hätten. Wie Professor Binnewies sahen es auch die Spitzenverbände als kritisch an, dass andere Zinstatbestände der Abgabenordnung nicht neu geregelt würden, obwohl ein enger Sachzusammenhang bestehe.
Die Deutsche Steuergewerkschaft begrüßte, dass auch in Zukunft mit einem festen Zinssatz gearbeitet werde. Einen flexiblen, sich möglicherweise ständig ändernden Zinssatz zu verwenden, halte man für keine praxistaugliche Lösung. Ständig neue Festlegungen von Zinssätzen erschwerten die Verwaltungspraxis, und für die Steuerzahler seien die verschiedenen Zinssätze nicht mehr nachvollziehbar. Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine erklärte, man halte die Regelungen grundsätzlich für sachgerecht und angemessen. Wie schon die Deutsche Steuergewerkschaft erklärten auch die Lohnsteuerhilfevereine, ein einheitlicher und fester Zinssatz sei für den Steuerpflichtigen transparenter und leichter nachvollziehbar.
Der Bundesrat verlangt eine steuerfreie Auszahlung der sogenannten Corona-Prämie für Pflegeberufe auch dann, wenn diese Sonderzahlungen nicht aufgrund von bundes- oder landesrechtlichen Regelungen gewährt werden. Auch eine von einem Arbeitgeber aus eigener Initiative gewährte Prämie müsse diesem Steuerprivileg unterfallen, heißt es in der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drs. 20/1111), die von der Bundesregierung als Unterrichtung (Drs. 20/1646) vorgelegt wurde. Der Gefahr einer uferlosen Ausweitung der Steuerfreiheit werde bereits damit begegnet, dass die Regelung in der Höhe begrenzt und zeitlich befristet sei, erklären die Bundesländer
Außerdem wird verlangt, die Homeoffice-Pauschale statt um ein Jahr zu verlängern dem Grunde als auch der Höhe nach insgesamt neu zu regeln. Auch nach der Corona-Krise sei damit zu rechnen, dass vermehrt dazu übergegangen werde, Arbeiten am heimischen Arbeitsplatz durchzuführen. Mit der vermehrten Nutzung des Homeoffice könnten die Wege zur Tätigkeitsstätte und zurück vermieden werden. Dem sei nicht nur aus umweltpolitischen Gründen, sondern im Hinblick auf die gewonnene Zeit für die Familie auch steuerlich Rechnung zu tragen. Auf dieser Basis solle eine dauerhafte Neuregelung erfolgen, die den neuen Formen der Arbeitsausübung gerecht werde und eine unkomplizierte steuerliche Absetzbarkeit von Kosten unabhängig vom Vorliegen eines abgetrennten Arbeitszimmers gewährleiste.
In ihrer Gegenäußerung stimmt die Bundesregierung einen Teil der Vorschläge zu, andere lehnt sie ab. Abgelehnt wird etwa, Arbeitsentgelte rückwirkend von Sozialbeiträgen freizustellen und hieraus bereits gezahlte Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten. Das sei in der Sozialversicherung aus grundsätzlichen Erwägungen nicht möglich.
(Quelle: hib 238/2022 vom 16.5.2022)