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LG Stuttgart: Sammelklage auf Zahlung von Kartellschadenersatz in Höhe von rund 96 Mio. Euro abgewiesen

Das LG Stuttgart hat mit Urteil vom 28.4.2022 – 30 O 17/18 – die Sammelklage eines im Rechtsdienstleistungsregister eingetragenen Inkassounternehmens gegen die Mercedes-Benz Group AG (vormals: Daimler AG) u. a. auf Zahlung von Kartellschadensersatz in Höhe von rund 96 Mio. Euro abgewiesen.

Die Tätigkeit der Klägerin verstoße gegen § 3 und § 4 RDG. Mithin seien die in Rede stehenden Abtretungen etwaiger Kartellschadensersatzansprüche an die Klägerin wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, weshalb die Klägerin schon gar nicht Inhaberin etwaiger kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche geworden sei. Sie sei daher mangels Aktivlegitimation nicht dazu berechtigt, die vorliegende Klage zu führen.

Die Klägerin sei nach dem RDG bei der zuständigen Behörde für den Bereich Inkassodienstleistungen registriert worden. Diese ihr erteilte Rechtsdienstleistungsbefugnis habe die Klägerin aber überschritten. Sie erbringe im vorliegenden Streitfall keine ihr erlaubte Inkassotätigkeit im Sinne des RDG, sondern eine umfassende Rechtsberatung. Schlussendlich könnten kartellrechtliche Schadensersatzansprüche nicht Gegenstand einer erlaubten Inkassodienstleistung sein (dazu die Kammer bereits ausführlich im Urteil vom 20.1.2022 – 30 O 176/19, Holzkartell). Denn kartellschadenersatzrechtliche Fragestellungen würden das für Inkassodienstleistungen typische Maß an rechtlicher Schwierigkeit grundsätzlich überschreiten.

Im Streitfall bestünden bei der Klägerin auch Interessenskonflikte, die die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gegenüber den Zedenten gefährdeten. Solche Rechtsdienstleistungen seien nach § 4 RDG aber untersagt. Die vorliegende massenhafte Anspruchsbündelung sei geeignet, die Pflicht der Klägerin zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung gegenüber jedem einzelnen Unternehmen zu beeinträchtigen. Denn die Erfolgsaussichten der Ansprüche der verschiedenen Unternehmen würden sich unterscheiden.

Interessenskonflikte würden sich zudem aus den konkreten Prozessfinanzierungsabreden ergeben. Die Klägerin habe sich gegenüber den Unternehmen zur bestmöglichen Durchsetzung der abgetretenen Forderungen verpflichtet. Es liege auf der Hand, dass die persönlichen Erfolgsaussichten der Unternehmen von der Erfolgsaussicht der Sammelklage insgesamt und der Gesamtrendite, wie sie ein Prozessfinanzierer im Blick habe, abweichen. Aus der Abhängigkeit der im Grunde vermögenslosen Klägerin von der Prozessfinanzierung bestehe die konkrete Gefahr des Einflusses sachfremder Entscheidungskriterien auf die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung jedes einzelnen Anspruchs, was den Interessen der einzelnen Unternehmen zuwiderlaufen könne.

Gleiches gelte angesichts der Treupflicht, die die Klägerin als 100 %ige Tochtergesellschaft des Ladungsverbundes E.L.V.I.S. gegenüber dem Initiator des klägerischen Geschäftsmodells treffe. Die Klägerin müsse dessen Weisungen Folge leisten, auch wenn diese den Interessen der Unternehmen zuwiderliefen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

(PM LG Suttgart vom 28.4.2022)