Das BAG hat mit Urteil vom 2.12.2021 – 3 AZR 123/21 – entschieden:
1. Versorgungsberechtigte können einen Streitgegenstand und damit auch die formelle und materielle Rechtskraft einer Entscheidung auf Versorgungsansprüche nach einer konkret benannten Versorgungsordnung begrenzen. Ob spätere Versorgungsordnungen – über die ggf. bereits rechtskräftig entschieden worden ist – die früheren nunmehr streitgegenständlichen (wirksam) abgelöst haben, ist allein eine Frage der Begründetheit der Klage (Rn. 34).
2. Kollidiert eine vorrangige Einzelabrede mit einer späteren Betriebsvereinbarung, ist die Abrede nach § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG unwirksam, wenn sie nicht günstiger ist. Der Vorrang der Betriebsvereinbarung wirkt so lange, wie die Betriebsvereinbarung entweder als kollektive Regelung wegen eines identitätswahrenden Betriebsübergangs oder nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB als Inhalt des Arbeitsverhältnisses weiter gilt (Rn. 50).
3. Der Ablauf der Jahresfrist in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB erlaubt lediglich, dass Inhalt des Arbeitsverhältnisses gewordene normative Regelungen geändert werden können. Sie laufen nicht automatisch aus. Sollen sie durch eine individuelle Abrede geändert werden, muss diese sich auf eine bestimmte kollektive Regelung in Anbetracht des anstehenden oder erfolgten Ablaufs der Jahresfrist beziehen (Rn. 48).
4. Einem Arbeitgeber kann es aufgrund § 242 BGB verwehrt sein, sich auf eine vorrangige Einzelabrede oder Einzelzusage der betrieblichen Altersversorgung mit einem Arbeitnehmer, die mit einem Verzicht auf Rechte aus allgemein geltenden Versorgungsregelungen verbunden ist, gegenüber einer später in Kraft getretenen und deutlich günstigeren kollektiven Versorgungsordnung zu berufen. Die besonderen Umstände des Einzelfalls können den Arbeitgeber gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichten, die Zusage betrieblicher Altersversorgung erneut mit dem Arbeitnehmer zu erörtern bzw. zu verhandeln und ihm ggf. einen gleichwertigen Versorgungsschutz wie allen anderen Arbeitnehmern anzubieten. Unterlässt er dies, kann er sich auf die ungünstigere und vorrangige Einzelabrede nicht mehr berufen (Rn. 56 ff.).
5. Wird ein Arbeitnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von einer künftigen betrieblichen Altersversorgung für den Verlauf des gesamten Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen, wird er unangemessen benachteiligt iSv. § 307 Abs. 1 BGB, wenn der Ausschluss weder hinreichend vorhersehbar noch klar verständlich ist. Der Arbeitnehmer muss für eine Angemessenheit eines solchen Ausschlusses in die Lage versetzt werden, den wirtschaftlichen Wert seines Verzichts einzuschätzen und ihn sachgerecht zu beurteilen (Rn. 69).
6. Die im Einzelfall gebotene ergänzende Vertragsauslegung eines danach unwirksamen Verzichts kann ergeben, dass sich der Versorgungsberechtigte die von ihm wirtschaftlich begründeten anderweitigen Versorgungsansprüche auf die zu zahlende Betriebsrente zur Vermeidung von Doppelansprüchen anrechnen lassen muss (Rn. 74 ff.).
(Orientierungssätze)
BetrAVG §§ 1b, 2, 6, 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 1; BetrVG § 77 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1, Abs. 4 Satz 1, Satz 2, Abs. 6; BGB §§ 134, 140, 241 Abs. 2, §§ 242, 306 Abs. 1, Abs. 2, § 307 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, § 310 Abs. 3 Nr. 2, § 310 Abs. 4 Satz 2, § 613a Abs. 1 Satz 2; EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2; TVG § 4 Abs. 5; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 92 Abs. 1 Satz 1, §§ 258, 259, 322, 559 Abs. 2