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BAG: Aussetzung eines Rechtsstreits – Vorgreiflichkeit eines Verbandsklageverfahrens – Ermessensausübung

BAG, Beschluss vom 13.8.2025 – 4 AZB 12/25

  1. Die Aussetzung eines Individualrechtsstreits über tarifliche Ansprüche aufgrund eines
    zwischen den Tarifvertragsparteien geführten Verbandsklageverfahrens iSv. § 9
    TVG richtet sich nach § 148 ZPO. Eine Vorgreiflichkeit des Verbandsklageverfahrens
    kommt in Betracht, wenn die dessen Gegenstand bildende Rechtsfrage in einem Individualklageverfahren
    entscheidungserheblich ist (Rn. 10 ff.).
  2. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren erfordert die Aussetzungsentscheidung eine Abwägung
    zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot
    des § 9 Abs. 1 ArbGG unter Berücksichtigung der Interessen beider
    Parteien anhand der Umstände des Einzelfalls. Dabei sind insbesondere die bisherige
    Verfahrensdauer, der jetzige Verfahrensstand und die im Fall einer Aussetzung
    zu erwartende Verlängerung der Verfahrensdauer in die Ermessensausübung einzubeziehen
    (Rn. 20).
  3. Bei der Entscheidung über die Aussetzung nach § 148 Abs. 1 ZPO aufgrund eines
    Verbandsklageverfahrens ist der Zweck des § 9 TVG zu beachten. Danach soll die
    normative Wirkung eines Tarifvertrags mit einer möglichst einheitlichen rechtlichen Beurteilung
    von Tarifbestimmungen versehen werden (Rn. 22).
  4. Die Ermessensentscheidung des aussetzenden Gerichts nach § 148 Abs. 1 ZPO
    unterliegt im Beschwerderechtszug nur einer eingeschränkten Kontrolle. Dem Rechtsmittelgericht
    ist es verwehrt, eigene Ermessenserwägungen an die Stelle des Gerichts
    zu setzen, dessen Aussetzungsentscheidung überprüft wird (Rn. 21, 23).

(Orientierungssätze)