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BAG: Mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts – Erziehungsurlaub – umlagefähige Monate ohne Entgeltanspruch

BAG, Urteil vom 6. Mai 2025 – 3 AZR 65/24

  1. Einer Kontrolle des Tarifvertrags am Maßstab spezialgesetzlicher Benachteiligungsverbote
    wie Art. 157 AEUV, Art. 3 Abs. 2, 3 GG oder § 7 Abs. 1 AGG steht die durch
    Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie unabhängig von der Nähe der tarifvertraglichen
    Regelung zum Kernbereich von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht entgegen.
    Die bei Ungleichbehandlungen iSv. Art. 3 Abs. 1 GG ggf. zu beachtende Beschränkung
    auf eine reine Willkürkontrolle betrifft nicht die spezialgesetzlichen Benachteiligungsverbote
    (Rn. 17).
  2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Gerichtshofs
    der Europäischen Union rechtfertigt das beim Erziehungsurlaub kraft Gesetzes
    eintretende Ruhen des Arbeitsverhältnisses objektiv eine Anspruchsminderung bzw.
    einen Ausschluss. Wenn der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Zahlung des Arbeitsentgelts
    befreit ist, weil das Arbeitsverhältnis ruht, ist er nicht gehalten, direkt oder
    indirekt zusätzliche Leistungen zu erbringen (Rn. 20).
  3. Wenn Erziehungsmonate zulässigerweise bei der Berechnung der Höhe von Ansprüchen
    unberücksichtigt bleiben dürfen, dürfen sie auch von der Berücksichtigung
    für die Erfüllung einer Wartezeit zur Abgrenzung zweier unterschiedlicher Regelungssysteme
    ausgenommen werden. Ein Arbeitnehmer kann in diesem Fall nicht darauf
    vertrauen, während des Erziehungsurlaubs oder der Elternzeit ohne Entgeltansprüche
    Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung zu erwerben (Rn. 23).
  4. In der Regel sind materiell-rechtliche Vorschriften einer Richtlinie der Europäischen
    Union so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte
    nur gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig
    hervorgeht, dass ihnen eine Wirkung für die Vergangenheit beizumessen ist. Bei der
    Vereinbarkeits-RL fehlen entsprechende Anhaltspunkte für einen Geltungsanspruch
    für Sachverhalte in der Vergangenheit. Art. 10 Abs. 2 der Vereinbarkeits-RL findet
    demnach in zeitlicher Hinsicht keine Anwendung auf Elternzeiten in den 90er Jahren
    (Rn. 29 f.).

(Orientierungssätze)