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BAG: Bezugnahme auf mehrere Tarifwerke – ergänzende Vertragsauslegung

BAG, Urteil vom 21. Mai 2025 – 4 AZR 267/24

  1. Verweist ein Arbeitsvertrag neben den Tarifverträgen, an welche die Arbeitgeberin
    gebunden ist, auch auf andere, steht dies einer Auslegung als zeitdynamische Bezugnahme,
    deren Dynamik nach der früheren Rechtsprechung des Senats mit dem Ende
    der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin entfällt – sog. Gleichstellungsabrede – entgegen
    (Rn. 17 ff.).
  2. Die Wirksamkeit einer Bezugnahmeklausel setzt nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen
    voraus, dass die in Bezug genommenen Tarifnormen eindeutig bestimmbar
    sind. Maßgebend ist der Zeitpunkt ihrer jeweiligen Anwendung. Eine Verweisung auf
    mehrere Tarifwerke ist eindeutig, solange die in Bezug genommenen Tarifverträge
    identisch sind (Rn. 30 ff.).
  3. Haben die Parteien keine ausdrückliche oder konkludente Kollisionsregel für den
    Fall getroffen, dass die in Bezug genommenen Tarifwerke später unterschiedliche Regelungen
    enthalten, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Bezugnahme, sondern zu
    deren Teilunwirksamkeit und zum Wegfall der vereinbarten Dynamik (Rn. 35).
  4. Ist aufgrund des Fehlens einer Kollisionsregelung eine planwidrige Regelungslücke
    entstanden und kommen mehrere Möglichkeiten der Lückenschließung im Wege ergänzender
    Vertragsauslegung in Betracht, ist bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen
    diejenige zu wählen, welche aus einer objektiv-generalisierenden Sicht dem hypothetischen
    Willen beider Parteien Rechnung trägt (Rn. 36 ff.).

(Orientierungssätze)