BAG, Urteil vom 4.12.2024 – 5 AZR 276/23
- Im Falle der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung erhält § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB den Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung, wenn der Gläubiger für den Umstand allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht. Diese Bestimmung kommt im Arbeitsverhältnis zur Anwendung, wenn sich der Gläubiger (Arbeitgeber) bei Eintritt der Unmöglichkeit der Leistung nicht in Annahmeverzug befand, so etwa, wenn das Arbeitsverhältnis nicht erfüllbar war, ein Fall des § 297 BGB gegeben war oder der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung entgegen §§ 294 ff. BGB nicht angeboten hatte. In diesen Fällen fehlt es an einer tatbestandlichen Schnittmenge mit § 615 BGB (Rn. 17).
- Anderes gilt für das Verhältnis von § 615 BGB zu § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB, denn die tatbestandlichen Anforderungen beider Vorschriften überlappen sich, weil jeweils Annahmeverzug Tatbestandsvoraussetzung ist. § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB ist auf Sachleistungen zugeschnitten und weist dem Gläubiger auch die Risiken zu, die erst aus zusätzlichen, außerhalb der Gläubigersphäre liegenden Umständen drohen. Diese Regelung wird deshalb durch § 615 BGB als speziellere Regelung des Dienstvertragsrechts verdrängt (Rn. 18).
- Für Fälle der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung infolge Arbeitsunfähigkeit ist im Dienstvertragsrecht in § 616 BGB eine besondere, von der allgemeinen Regelung in § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB abweichende Rechtsfolge vorgesehen. Der Anspruch des Dienstverpflichteten auf die Gegenleistung wird hiernach nur für eine verhältnis-mäßig nicht erhebliche Zeit aufrechterhalten. Für Arbeitsverhältnisse gilt insoweit noch spezieller § 3 EFZG. Beide Vorschriften gehen der allgemeinen Regelung in § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB vor („lex specialis derogat legi generali“) (Rn. 19 ff.).
(Orientierungssätze)