Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung, zuletzt für das Jahr 2020 veröffentlicht (BStBl. I 2022, 4, IV A 8 – S 1544/19/10001 :003 DOK 2021/1277490), das Folgende:
Die Richtsatzsammlung ist ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung, um Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer Unterlagen zu schätzen (§ 162 AO). Dabei ist zu bedenken, dass die in der Richtsatzsammlung genannten Rohgewinnsätze, Rohgewinnaufschlagsätze sowie Halb- und Reingewinne dazu dienen, individuelle Sachverhalte verallgemeinernd abbilden zu können. Unabdingbar ist daher, bei der Anwendung der Richtsätze stets auf die individuellen Verhältnisse der einzelnen zu prüfenden Betriebe einzugehen und diese zu berücksichtigen (s. a. 10.2.1 der Vorbemerkungen in der Richtsatzsammlung).
In wirtschaftlichen Krisenzeiten (zum Beispiel aufgrund einer Pandemie oder eines Krieges), welche sowohl negative als auch positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von vielen oder einzelnen Betrieben haben können, ist es unabdingbar, diesen Grundsatz der individuellen Betrachtung der Steuerpflichtigen in besonderem Maße zu beachten.
Eine Abbildung aller denkbaren Auswirkungen, ist naturgemäß bei einer pauschalierten Betrachtungsweise nicht darstellbar. Somit ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang bei der Anwendung der Richtsätze Anpassungen vorzunehmen sind. Zur Unterstützung dient hierbei unter anderem bereits die Darstellung von Bandbreiten im Rahmen der Richtsatzsammlung.
Vor diesem Hintergrund gilt es aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung (zum Beispiel Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine), wie bisher auf einen sensiblen Umgang mit der Richtsatzsammlung gegenüber den Steuerpflichtigen zu achten.
(Quelle: BMF, Schreiben vom 28.11.2022 – IV A 8 – S 1544/19/10001 :006)