Der EuGH hat mit Urteil vom 9.6.2022 – C-187/211 – entschieden:
1. Art. 30 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass sich die Zollbehörde eines Mitgliedstaats bei der Ermittlung des Zollwerts nach dieser Bestimmung darauf beschränken kann, die Informationen aus der von ihr beschickten und betriebenen nationalen Datenbank heranzuziehen, ohne dass sie Informationen von Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten oder von den Organen und Dienststellen der Europäischen Union einholen muss, sofern diese Informationen ausreichend sind. Ist dies nicht der Fall, bleibt die Möglichkeit der betreffenden Zollbehörde, Anfragen an andere Zollbehörden oder die genannten Organe oder Dienststellen zu richten, um zusätzliche Informationen für die Ermittlung des Zollwerts zu erhalten, unberührt.
2. Art. 30 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2913/92 ist dahin auszulegen, dass die Zollbehörde eines Mitgliedstaats bei der Ermittlung des Zollwerts Transaktionswerte außer Acht lassen kann, die sich auf andere Transaktionen der die zolltarifliche Behandlung beantragenden Person beziehen, auch wenn diese Werte weder von dieser Zollbehörde noch von den Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten beanstandet wurden. Dies setzt voraus, dass die Zollbehörde zum einen die Transaktionswerte von in diesen Mitgliedstaat erfolgten Einfuhren zuvor gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2913/92 innerhalb der zeitlichen Grenzen von Art. 221 dieser Verordnung und gemäß dem in Art. 181a der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 3254/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 vorgesehenen Verfahren anzweifelt und sie zum anderen die Außerachtlassung der Transaktionswerte von in andere Mitgliedstaaten erfolgten Einfuhren gemäß Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2913/92 begründet sowie Umstände anführt, die sich auf die Plausibilität dieser Werte auswirken.
3. Der in Art. 30 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2913/92 verwendete Begriff der Waren, die „zu demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt“ wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden, ist dahin auszulegen, dass sich die Zollbehörde bei der Ermittlung des Zollwerts nach dieser Bestimmung darauf beschränken kann, Angaben zu Transaktionswerten zu verwenden, die einen Zeitraum von 90 Tagen betreffen, davon je 45 Tage vor bzw. nach der zolltariflichen Behandlung der zu bewertenden Waren, sofern die während dieses Zeitraums in die Europäische Union erfolgten Ausfuhren von Waren, die gleich oder gleichartig sind wie die zu bewertenden Waren, die Ermittlung des Zollwerts der zu bewertenden Waren nach dieser Bestimmung ermöglichen.
(Tenor)