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BGH: Von Vertragspartnern einer Wirtschaftsauskunftei eingemeldete Daten über Zahlungsstörungen müssen nicht sofort nach dem Forderungsausgleich gelöscht werden

Urteil vom 18. Dezember 2025 – I ZR 97/25

Die längstmögliche Speicherungsdauer von Daten über Zahlungsstörungen, die private Wirtschaftsauskunfteien durch Einmeldungen ihrer Vertragspartner sammeln, wird nicht durch die Löschungsfrist von Eintragungen anderer Art über die jeweilige Forderung im öffentlichen Register vorgegeben. Daher müssen solche Daten nicht – wie für die im öffentlichen Schuldnerverzeichnis gespeicherten Daten vorgesehen – sofort mit dem Nachweis des Ausgleichs der betreffenden Forderung gelöscht werden. Das hat der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten aus dem Datenschutzrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs heute entschieden und eine Abgrenzung zu einem vom Gerichtshof der Europäischen Union entschiedenen Fall der Übernahme von Daten aus einem öffentlichen Register vorgenommen. Für die Festlegung der Speicherungsdauer bei nicht aus einem öffentlichen Register übernommenen Daten können von der Aufsichtsbehörde genehmigte Verhaltensregeln herangezogen werden, soweit sie typisiert zu einem angemessenen Interessenausgleich führen und die Besonderheiten des Einzelfalls bei der konkret vorzunehmenden Interessenabwägung hinreichend berücksichtigt werden.

Sachverhalt:

Die beklagte SCHUFA Holding AG betreibt eine Wirtschaftsauskunftei. Sie bewertet die Gefahr eines Zahlungsausfalls der von ihr erfassten natürlichen Personen mit einem Scorewert und gewährt der kreditgebenden Wirtschaft gegen Entgelt Einsicht in ihre Datenbanken. Unter anderem speichert die Beklagte auch Daten zu erledigten Forderungen ihrer Einmelder automatisiert ab.

Die Beklagte speicherte drei gegen den Kläger gerichtete Forderungen für die Dauer von mehreren Jahren nach dem Ausgleich dieser Forderungen. Auf dieser Grundlage ermittelte die Beklagte für den Kläger einen Score-Wert, der die Gefahr eines Zahlungsausfalls als „sehr kritisch“ einstufte.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe mit dieser Datenspeicherung gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen. Hinsichtlich der Löschungsansprüche haben die Parteien den Rechtsstreit nach der zwischenzeitlich erfolgten Datenlöschung durch die Beklagte für erledigt erklärt. Der Kläger nimmt die Beklagte weiterhin auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes sowie auf Erstattung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 1.040,50 € nebst Zinsen verurteilt.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Wirtschaftsauskunfteien wie die der Beklagten werden zur Wahrung von berechtigten Interessen im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO tätig. Dem stehen gewichtige Interessen einer von dieser Datenspeicherung betroffenen Person wie dem Kläger gegenüber.

In seinem Urteil „SCHUFA Holding (Restschuldbefreiung)“ vom 7. Dezember 2023 – C- 26/22 und C-64/22 – hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO einer Praxis privater Wirtschaftsauskunfteien entgegensteht, die darin besteht, in ihren eigenen Datenbanken aus einem öffentlichen Register stammende Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung zugunsten natürlicher Personen zum Zweck der Lieferung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit dieser Personen für einen Zeitraum zu speichern, der über die Speicherdauer der Daten im öffentlichen Register hinausgeht.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt daraus nicht, dass bei Daten über Zahlungsstörungen, die private Wirtschaftsauskunfteien aufgrund von Einmeldungen ihrer Vertragspartner speichern, um sie zur Grundlage von Bonitätsbeurteilungen zu machen, die längstmögliche Speicherungsdauer durch die Löschungsfrist von Eintragungen anderer Art über die jeweilige Forderung im öffentlichen Register – hier im Schuldnerverzeichnis – vorgegeben wird. Die Regelung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO, die bei Nachweis der vollständigen Befriedigung des Gläubigers eine sofortige Löschung von Einträgen im Schuldnerverzeichnis (zu deren Inhalt vgl. § 882b Abs. 2 und 3 ZPO) anordnet, ist nicht auf die Speicherung anderer Daten über Zahlungsstörungen natürlicher Personen (wie Informationen über Gläubiger, Höhe und Inhalt der zugrundeliegenden Forderungen) durch Wirtschaftsauskunfteien anzuwenden. Die vorliegend in Rede stehende Datenspeicherung der Beklagten unterscheidet sich bereits dadurch wesentlich von derjenigen im Vorlageverfahren an den Gerichtshof der Europäischen Union, dass die Beklagte dort Daten aus dem öffentlichen Register – den Insolvenzbekanntmachungen – übernommen und parallel gespeichert hatte, während sie hier nicht auf Daten aus dem Schuldnerverzeichnis zurückgegriffen, sondern von ihren Vertragspartnern gemeldete Daten über Zahlungsstörungen gespeichert hat. Die Erwägung, dass die für die ursprüngliche Datenspeicherung geltende Löschungsfrist nicht durch eine längere Speicherung an anderer Stelle konterkariert werden soll, greift daher im Streitfall nicht.

Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass es ihm möglich erscheint, bestimmte Speicherungsfristen als Ergebnis einer typisierten Abwägung festzulegen, soweit dabei die Besonderheiten des Einzelfalls hinreichend berücksichtigt werden. Die vom Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zum 1. Januar 2025 genehmigte Ziffer IV.1. Buchst. b der Verhaltensregeln für die Prüf- und Speicherfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien nimmt aus Sicht des Senats grundsätzlich einen angemessenen Interessenausgleich vor. Im Ausgangspunkt (Satz 1) sieht diese Regelung eine Speicherung von personenbezogenen Daten über ausgeglichene Forderungen für drei Jahre vor. Die Speicherung endet jedoch abweichend davon bereits nach 18 Monaten (Satz 2), wenn (1) der Auskunftei bis zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Negativdaten gemeldet worden sind, (2) keine Informationen aus dem Schuldnerverzeichnis oder aus Insolvenzbekanntmachungen vorliegen und (3) der Ausgleich der Forderung innerhalb von 100 Tagen nach Einmeldung erfolgte. Dem Schuldner muss es zudem möglich sein, besondere Umstände vorzubringen, die seinem Löschungsinteresse ein wesentlich überdurchschnittliches Gewicht verleihen. In diesem Fall kann die Interessenabwägung ausnahmsweise dazu führen, dass allein eine noch kürzere Speicherungsdauer als angemessen anzusehen ist.

War die von der Beklagten vorgenommene Datenspeicherung nicht über ihren gesamten Zeitraum rechtmäßig, kommt ein Schadensersatzanspruch des Klägers nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich in Betracht und sind dessen weitere Voraussetzungen zu prüfen.

Vorinstanzen:

Landgericht Bonn – Urteil vom 21. Juni 2024 – 20 O 10/24

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 10. April 2025 – 15 U 249/24

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO

(1) Personenbezogene Daten müssen

a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“); (…)

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, (…)

Art. 82 Abs. 1 bis 3 DSGVO (Auszug)

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

(2) Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. (…)

(3) Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist.

§ 882b ZPO (Auszug)

(1) Das zentrale Vollstreckungsgericht nach § 882h Abs. 1 führt ein Verzeichnis (Schuldnerverzeichnis) derjenigen Personen,

1. deren Eintragung der Gerichtsvollzieher nach Maßgabe des § 882c angeordnet hat;

(…)

(2) Im Schuldnerverzeichnis werden angegeben:

1. Name, Vorname und Geburtsname des Schuldners sowie die Firma und deren Nummer des Registerblatts im Handelsregister,

2. Geburtsdatum und Geburtsort des Schuldners,

3. Wohnsitze des Schuldners oder Sitz des Schuldners,

einschließlich abweichender Personendaten.

(3) Im Schuldnerverzeichnis werden weiter angegeben:

1. Aktenzeichen und Gericht oder Vollstreckungsbehörde der Vollstreckungssache oder des Insolvenzverfahrens,

2. im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 das Datum der Eintragungsanordnung und der gemäß § 882c zur Eintragung führende Grund,

(…)

§ 882e Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ZPO

(1) Eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis wird nach Ablauf von drei Jahren seit dem Tag der Eintragungsanordnung von dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 882h Abs. 1 gelöscht.

(3) Abweichend von Absatz 1 wird eine Eintragung auf Anordnung des zentralen Vollstreckungsgerichts nach § 882h Abs. 1 gelöscht, wenn diesem

1. die vollständige Befriedigung des Gläubigers nachgewiesen worden ist; (…)

PM Nr. 233/2025 v. 18.12.2025