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BAG: Bezugnahme auf einen Tarifvertrag – abweichende Vertragsregelungen – Inhaltskontrolle – Rückzahlung einer Sonderzahlung

BAG, Urteil vom 2. Juli 2025 – 10 AZR 162/24

1. Sind arbeitsvertraglich neben der Inbezugnahme eines Tarifvertrags Klauseln ausformuliert,
die nicht nur deklaratorisch den Tariftext wiedergeben, haben diese – fehlt
es an einer Kollisionsregel – nach allgemeinen Auslegungsregeln Vorrang vor den in
Bezug genommenen Tarifbestimmungen. Die Wirkung der Bezugnahme ist dann auf
den verbleibenden Teil des Tarifvertrags beschränkt (Rn. 21 f.).

2. Die Prüfung der Angemessenheit einer arbeitsvertraglich in Bezug genommenen
tariflichen Regelung nach § 307 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht nach § 310
Abs. 4 Satz 3 iVm. § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn der Arbeitsvertrag den
Tarifvertrag nicht insgesamt in Bezug nimmt und die abweichenden Regelungen des
Arbeitsvertrags auch nicht ausschließlich zugunsten des Arbeitnehmers wirken
(Rn. 23 ff.).

3. Das Kontrollprivileg greift auch dann nicht, wenn sich die beschränkte Verweisung
auf sachlich und inhaltlich zusammenhängende geschlossene Regelungsbereiche
oder -komplexe eines Tarifvertrags bezieht. Auch eine solche kann die der Bereichsausnahme
zugrunde liegende Angemessenheitsvermutung nicht begründen
(Rn. 25 ff.).

4. Der Anspruch auf eine – jedenfalls auch – als Gegenleistung für die Erbringung der
Arbeitsleistung geschuldete Jahressonderzahlung kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
nicht durch eine Rückzahlungsklausel vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses
abhängig gemacht werden. Entsprechende Regelungen sind unangemessen
benachteiligend iSv. § 307 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 BGB (Rn. 54).

5. An diesem Ergebnis ändert nichts, dass eine tarifvertragliche Rückzahlungsklausel
mit vergleichbarem Inhalt, die normativ im Arbeitsverhältnis gilt oder kraft vollständiger
Inbezugnahme des Tarifvertrags Anwendung findet, keinen Rechtmäßigkeitsbedenken
begegnet. Dies ist vielmehr die Folge der Angemessenheitsvermutung und Richtigkeitsgewähr
von Tarifverträgen, die vom Arbeitgeber gestellten Klauseln nicht zukommt
(Rn. 55).

(Orientierungssätze)