Die Europäische Kommission hat gegen den US-amerikanischen Konzern Google eine Geldbuße in Höhe von 2.95 Milliarden Euro verhängt – weil er gegen das EU-Kartellrecht verstoßen hat, indem er den Wettbewerb in der Werbetechnologiebranche („adtech“) verzerrt hat. Konkret wirft die Kommission dem Unternehmen vor, seine eigenen Technologiedienste für Online-Werbeanzeigen zum Nachteil konkurrierender Anbieter von Werbetechnologie, Werbetreibenden und Online‑Publishern zu bevorzugen.
Verstoß gegen das EU-Kartellrecht
Teresa Ribera, die Exekutivvizepräsidentin der Europäischen Kommission für einen sauberen, fairen und wettbewerbsfähigen Wandel, sagte: „Im heutigen Beschluss wird festgestellt, dass Google seine beherrschende Stellung bei der Werbung gegenüber Inhalteanbietern, Werbetreibenden und Verbrauchern missbraucht hat. Damit verstößt Google gegen das EU-Kartellrecht. Google muss nun ernsthafte Schritte unternehmen, um seine Interessenskonflikte zu beseitigen, und wenn es dies nicht tut, werden wir nicht zögern, strenge Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen. Die digitalen Märkte sollen den Menschen dienen; dazu ist es unerlässlich, dass sie auf Vertrauen und Fairness beruhen. Wenn Märkte versagen, muss die öffentliche Hand tätig werden, um zu verhindern, dass marktbeherrschende Akteure ihre Macht missbrauchen. Echte Freiheit bedeutet gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen, bei denen alle zu gleichen Bedingungen miteinander konkurrieren und die Bürgerinnen und Bürger frei zwischen verschiedenen Anbietern wählen können.“
Die Kommission hat Google angewiesen,
- diese Praxis der Selbstbevorzugung einzustellen, und
- Maßnahmen zur Abstellung der inhärenten Interessenkonflikte entlang der Adtech-Wertschöpfungskette zu ergreifen. Google hat nun 60 Tage Zeit, um die Kommission darüber zu informieren, mit welchen Mitteln es diesen Anordnungen nachkommen wird.
Die Zuwiderhandlung
Google ist ein multinationales Technologieunternehmen mit Sitz in den USA, das seine Einnahmen vornehmlich aus Werbung bezieht. Dazu vertreibt Google erstens Werbeplatz auf seinen eigenen Webseiten und Anwendungen und fungiert zweitens als Makler zwischen Werbetreibenden, die Werbung online platzieren möchten, und Inhalteanbietern (d.h. anderen Betreibern von Webseiten und Anwendungen), die entsprechenden Werbeplatz bereitstellen können.
Werbetreibende und Inhalteanbieter sind für die Platzierung von Adhoc-Anzeigen, die nicht mit einer Suchanfrage verknüpft sind – wie Banner-Werbung auf Webseiten von Zeitungen („Display-Werbung“) –, auf die digitalen Instrumente der Adtech-Branche angewiesen. Die Werbetechnologiebranche bietet insbesondere drei digitale Instrumente an:
- Ad-Server für Verlage und andere Inhalteanbieter, mit denen diese die Werbeflächen auf ihren Websites und in ihren Apps verwalten können,
- Instrumente für den Kauf von Werbeprogrammierung, mit denen Werbetreibende automatisiert Werbekampagnen verwalten können, und
- Werbebörsen, auf denen Verlage und andere Inhalteanbieter mit Werbetreibenden in Echtzeit – in der Regel über Auktionen – den Verkauf bzw. Kauf von Display-Werbung aushandeln.
Google bietet verschiedene Werbetechnologiedienste an, die zwischen Werbetreibenden und Inhalteanbietern angesiedelt sind und dazu dienen, Werbung auf Websites oder in Mobil-Apps anzuzeigen. Das Unternehmen betreibt
- zwei Instrumente für den Kauf von Werbung – „Google Ads“ und „DV 360“ –,
- einen Ad-Server für Inhalteanbieter – „DoubleClick for Publishers“ (DFP) – und
- die Werbebörse „AdX“.
Googles beherrschende Stellung
Die Untersuchung der Kommission ergab, dass Google auf den folgenden Märkten eine beherrschende Stellung innehat
- auf dem Markt der Ad-Server für Inhalteanbieter mit dem Dienst „DFP“ und
- auf dem Markt der Instrumente für die Programmierung von Werbeplatzkäufen für das offene Internet mit seinen Diensten „Google Ads“ und „DV 360“. Beide Märkte erstrecken sich auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum.
Insbesondere stellte die Kommission fest, dass Google seine marktbeherrschende Stellung mindestens seit 2014 und bis heute unter Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) missbraucht, indem es
- seine eigene Werbebörse AdX bei der von seinem marktbeherrschenden Ad-Server für Inhalteanbieter, DFP, durchgeführten Auktion zur Auswahl von Werbung begünstigt, beispielsweise indem AdX im Voraus über das beste Gebot von Wettbewerbern informiert wird, das AdX dann schlagen muss, um den Zuschlag zu erhalten;
- seine Werbebörse AdX im Hinblick auf die Art und Weise begünstigt, wie seine Instrumente für den Kauf von Werbung – Google Ads und DV 360 – Angebote auf Werbebörsen (Ad exchanges) abgeben. So mied Google Ads beispielsweise konkurrierende Werbebörsen (Ad exchanges) und gab Angebote vor allem auf AdX ab, was AdX zur attraktivsten Werbebörse (Ad exchange) machte.
Praxis der Selbstbevorzugung einstellen
Die Kommission ist zu dem Schluss gelangt, dass diese Verhaltensweisen darauf abzielten, AdX vorsätzlich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, und möglicherweise zur Verdrängung konkurrierender Werbebörsen (Ad exchanges) geführt haben. Dadurch wurde die zentrale Rolle von Google auf verschiedenen Stufen der Adtech-Wertschöpfungskette gestärkt, sodass das Unternehmen für seine Dienste höhere Gebühren verlangen konnte.
Die Kommission hat Google angewiesen, diese Praxis der Selbstbevorzugung einzustellen. Ferner hat sie Google angewiesen, Maßnahmen zur Abstellung der inhärenten Interessenkonflikte entlang der Adtech-Wertschöpfungskette zu ergreifen. Google hat nun 60 Tage Zeit, der Kommission einschlägige Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen. Sobald entsprechende Vorschläge eingehen, wird die Kommission sie genau prüfen, um festzustellen, ob sie die festgestellten Interessenskonflikte ausräumen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird die Kommission – unter Einhaltung des Rechts von Google auf rechtliches Gehör – ihrerseits angemessene Abhilfemaßnahmen auferlegen. Die Kommission hat bereits ihre vorläufige Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass in ihren Augen nur die Veräußerung eines Teils seiner Dienste durch Google die inhärenten Interessenkonflikte auflösen würde, möchte aber zunächst den Vorschlag von Google hören und bewerten.
Festsetzung der Geldbuße
Die Geldbuße in Höhe von 2,95 Milliarden Euro wurde auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 festgesetzt.
Bei der Festsetzung der Geldbuße wurden verschiedene Gesichtspunkte wie die Dauer und die Schwere der Zuwiderhandlung sowie der mit den Zuwiderhandlungen in Zusammenhang stehende Umsatz von AdX im EWR, von dem ausgehend der Grundbetrag bestimmt wird, berücksichtigt. Darüber hinaus hat die Kommission dem Umstand Rechnung getragen, dass gegen Google bereits in der Vergangenheit eine Geldbuße wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung verhängt worden war.
Dass die Kommission den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Google in Bezug auf ein Verhalten feststellt, das in ähnlicher Form auch Gegenstand einer Untersuchung des US-Justizministeriums war, ist auch insbesondere im Hinblick auf das bevorstehende Gerichtsverfahren über Abhilfemaßnahmen in den USA, das am 22. September 2025 beginnen soll, von großer Bedeutung.
Hintergrund
Im Juni 2021 hatte die Kommission ein förmliches Verfahren wegen eines möglichen wettbewerbswidrigen Verhaltens von Google im Bereich der Online-Werbetechnologie eingeleitet. Im Juni 2023 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Google, auf die das Unternehmen im Dezember 2023 antwortete.
Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verbieten den Missbrauch einer beherrschenden Stellung.
Eine marktbeherrschende Stellung ist nach dem EU-Kartellrecht nicht grundsätzlich verboten. Allerdings tragen marktbeherrschende Unternehmen eine besondere Verantwortung, denn sie dürfen ihre starke Marktstellung nicht missbrauchen, indem sie den Wettbewerb auf dem beherrschten Markt oder auf anderen Märkten einschränken.
Stellt die Kommission fest, dass eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 102 AEUV vorliegt, so kann sie das betreffende Unternehmen durch Beschluss auffordern, die Zuwiderhandlung abzustellen. Sie kann ihnen hierzu alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind. Abhilfemaßnahmen struktureller Art können nur in Ermangelung einer verhaltensorientierten Abhilfemaßnahme von gleicher Wirksamkeit festgelegt werden, oder wenn letztere im Vergleich zu Abhilfemaßnahmen struktureller Art mit einer größeren Belastung für die beteiligten Unternehmen verbunden wäre.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer AT.40670 im öffentlich zugänglichen Register auf der Website der Kommission zum Thema Wettbewerb veröffentlicht.
Schadensersatzklagen
Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission in Verfahren vor nationalen Gerichten ein verbindlicher Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen das betreffende Unternehmen eine Geldbuße verhängt hat, kann von nationalen Gerichten Schadensersatz zuerkannt werden, wobei die von der Kommission verhängte Geldbuße nicht mindernd angerechnet wird.
Durch die EU-Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen ist es für Opfer wettbewerbswidriger Verhaltensweisen inzwischen leichter, Schadensersatz zu erhalten. Weitere Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie ein praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs sind hier abrufbar.