© IMAGO / Michael Gstettenbauer

BAG: Mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts – Erziehungsurlaub – umlagefähige Monate ohne Entgeltanspruch

1. Einer Kontrolle des Tarifvertrags am Maßstab spezialgesetzlicher Benachteiligungsverbote wie Art. 157 AEUV, Art. 3 Abs. 2, 3 GG oder § 7 Abs. 1 AGG steht die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie unabhängig von der Nähe der tarifvertraglichen Regelung zum Kernbereich von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht entgegen. Die bei Ungleichbehandlungen iSv. Art. 3 Abs. 1 GG ggf. zu beachtende Beschränkung auf eine reine Willkürkontrolle betrifft nicht die spezialgesetzlichen Benachteiligungsverbote (Rn. 17).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union rechtfertigt das beim Erziehungsurlaub kraft Gesetzes eintretende Ruhen des Arbeitsverhältnisses objektiv eine Anspruchsminderung bzw. einen Ausschluss. Wenn der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Zahlung des Arbeitsentgelts befreit ist, weil das Arbeitsverhältnis ruht, ist er nicht gehalten, direkt oder indirekt zusätzliche Leistungen zu erbringen (Rn. 20).

3. Wenn Erziehungsmonate zulässigerweise bei der Berechnung der Höhe von Ansprüchen unberücksichtigt bleiben dürfen, dürfen sie auch von der Berücksichtigung für die Erfüllung einer Wartezeit zur Abgrenzung zweier unterschiedlicher Regelungssysteme ausgenommen werden. Ein Arbeitnehmer kann in diesem Fall nicht darauf vertrauen, während des Erziehungsurlaubs oder der Elternzeit ohne Entgeltansprüche Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung zu erwerben (Rn. 23).

4. In der Regel sind materiell-rechtliche Vorschriften einer Richtlinie der Europäischen Union so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine Wirkung für die Vergangenheit beizumessen ist. Bei der Vereinbarkeits-RL fehlen entsprechende Anhaltspunkte für einen Geltungsanspruch für Sachverhalte in der Vergangenheit. Art. 10 Abs. 2 der Vereinbarkeits-RL findet demnach in zeitlicher Hinsicht keine Anwendung auf Elternzeiten in den 90er Jahren (Rn. 29 f.).

BAG, Urteil vom 6.5.2025 – 3 AZR 65/24

(Orientierungssätze)