Geografische Angaben für Agrarerzeugnisse sollen besser geschützt und ihre Eintragung erleichtert werden. Für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse wird erstmals ein EU-weiter Schutz ermöglicht. Das sieht ein heute vom Bundeskabinett beschlossener Gesetzentwurf vor, den das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) vorgelegt haben. Geografische Angaben betreffen Namen von Erzeugnissen mit Ursprung in einem bestimmten räumlichen Gebiet, deren Eigenschaften oder Ansehen auf diesen besonderen Ursprung zurückzuführen sind.
Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Stefanie Hubig, erklärt hierzu:
„Geografische Herkunftsangaben stehen für Qualität, Tradition und Vertrauen – und sind oft kaufentscheidend. Mit unserem Gesetz schaffen wir erstmals einen EU-weiten Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse- wie “Uhren aus Glashütte” oder “Geigen aus Mittenwald“. So sichern wir regionale Identität, schützen traditionsreiche Produkte – und schaffen klare Orientierung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Kurz: Wo „Schwarzwälder Kuckucksuhr“ draufsteht, muss auch Schwarzwald drin sein!“
Der Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, Alois Rainer, erklärt hierzu:
„Produkte aus Deutschlands Regionen sind weit über unsere Grenzen hinaus bekannt und beliebt – seien es schwäbische Spätzle, Lübecker Marzipan oder Münchner Bier. Es sind regionale Aushängeschilder, die weit über die Region hinauswirken. Menschen identifizieren sich damit. Das ist gelebte Heimatverbundenheit und auch eine Wertschätzung der ländlichen Räume, in denen diese Produkte entstehen.
Mit dem Gesetzentwurf wollen wir dieses System weiter stärken und ausbauen. Was bei Agrarprodukten bestens funktioniert, kann auch bei handwerklichen und industriellen Erzeugnissen aus einer Region zu einem Mehrwert führen. So wird es künftig noch mehr Aushängeschilder für Wertarbeit geben. Davon profitieren ganze Regionen. Und damit stärken wir die Heimatverbundenheit und die regionale Identität. “
Der Schutz geografischer Angaben in der EU wurde umfassend reformiert und auf handwerkliche und industrielle Produkte ausgeweitet. Parallel dazu wurde das bestehende System für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Weine und Spirituosen überarbeitet und in einer neuen EU-Verordnung vereinheitlicht. Der Gesetzentwurf schafft die erforderlichen nationalen Regelungen zur Durchführung der beiden neuen EU-Verordnungen.
Für den Schutz geografischer Angaben bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Lebensmitteln, Wein und Spirituosen (Agrargeoschutz) sieht der federführend vom BMLEH erstellte Teil des Gesetzentwurfs unter anderem folgende Regelungen vor:
- Die Zuständigkeiten für den Agrargeoschutz, die bislang auf das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) aufgeteilt waren, werden bei der fachnäheren BLE konzentriert. Dies dient der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung.
- Durch das Agrargeoschutz-Durchführungsgesetz werden die Regelungen zum Antragsverfahren zusammengefasst und vereinheitlicht. Die Vorschriften über Kontrollverfahren sind überarbeitet, die Funktionen der Erzeugervereinigungen gestärkt worden. Ebenfalls wurden Bestimmungen zu Nachhaltigkeitsaspekten und zur Bekämpfung von Missbräuchen im Internethandel aufgenommen. Das Agrargeoschutz-Durchführungsgesetz sieht vor allem Vorschriften vor, auf deren Grundlage die Detailregelungen dann in einer Rechtsverordnung getroffen werden können.
In dem in federführender Zuständigkeit des BMJV ausgearbeiteten Teil des Gesetzentwurfs zum Schutz von geografischen Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse sind insbesondere folgende Regelungen vorgesehen:
- Um eine geografische Angabe für ein handwerkliches oder industrielles Erzeugnis schützen zu lassen, muss zunächst ein Antrag beim DPMA eingereicht werden, das für die sogenannte „nationale Phase“ des Verfahrens zuständig ist. Das DPMA beteiligt die betroffenen Fachministerien, Kammern und Wirtschaftsverbände am Verfahren. Nach positiver Prüfung übermittelt das DPMA den Antrag an das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum, das den Antrag überprüft und die Eintragung in das dort geführte Register vornimmt. Für Beschwerden gegen Entscheidungen des DPMA ist das Bundespatentgericht zuständig.
- Zum Schutz von geografischen Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse sieht der Gesetzentwurf umfassende privatrechtliche Durchsetzungsinstrumente wie Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche vor. Zusätzlich werden die widerrechtliche Verwendung, Nachahmung oder Aneignung einer solchen geografischen Angabe bußgeldbewehrt.
- Die privatrechtliche Durchsetzung durch Berechtigte und ihre Vereinigungen wird ergänzt durch Kontroll- und Marktüberwachungsbefugnisse der zuständigen Landesbehörden wie beispielsweise die Befugnis Geschäftsräume zu betreten oder widerrechtliche Kennzeichnungen zu entfernen. Für eine effektive Überwachung des Online-Handels werden die Landesbehörden ermächtigt, Erzeugnisse verdeckt zu erwerben (sog. „Mystery Shopping“).
- Sämtliche Angebote im Onlinehandel, die gegen den Schutz geografischer Angaben verstoßen, stellen darüber hinaus rechtswidrige Inhalte im Sinne des Digital Services Act dar. Hierdurch werden mittelbar auch Online-Plattformen in die Verantwortung für den Schutz geografischer Angaben einbezogen, etwa durch die Verpflichtung, ein wirksames Melde- und Abhilfeverfahren für die Meldung von fehlerhaft gekennzeichneten Angeboten vorzuhalten.
Der Gesetzentwurf ist hier abrufbar.