- Korrektur der Vergütungsanpassung durch den Arbeitgeber – Darlegungs- und Beweislast und datenschutzrechtliche Belange – Vergütungsanspruch wegen fiktiver Beförderung
BAG, Urteil vom 20. März 2025 – 7 AZR 46/24
- Die Ansprüche eines (freigestellten) Betriebsratsmitglieds auf eine Vergütungserhöhung
auf Grundlage der Mindestentgeltgarantie nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG
und auf Grundlage einer fiktiven Karriere nach § 78 Satz 2 BetrVG iVm. § 611a Abs. 2
BGB bilden zwei unterschiedliche Streitgegenstände (Rn. 24 ff.). - Eine alternative Klagehäufung verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen, wenn der Kläger dem Gericht die Auswahl
überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt. Deshalb muss, was
auch konkludent und noch im Lauf des Verfahrens möglich ist, eine Rangfolge gebildet
werden, in der die Streitgegenstände zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden
(Rn. 21). - § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber, den Mitgliedern des
Betriebsrats (einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung deren
Amtszeit) das Arbeitsentgelt zu gewähren, welches vergleichbare Arbeitnehmer mit
betriebsüblicher Entwicklung erzielen (Rn. 34). - Hat der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied eine Vergütungserhöhung gewährt,
die sich nach der objektiven Sachlage für das Betriebsratsmitglied als bloße
Anpassung seines Entgelts entsprechend § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darstellen durfte,
hat der Arbeitgeber deren objektive Fehlerhaftigkeit darzulegen und ggf. zu beweisen,
wenn er die angepasste Vergütung nachträglich im Sinn einer Rücknahme oder Kürzung
korrigiert. Der entsprechende Sachvortrag des Arbeitgebers muss den Schluss
darauf zulassen, dass – bezogen auf den Zeitpunkt der mitgeteilten (für den streitgegenständlichen
Zeitraum maßgeblichen) Vergütungserhöhung – (nur) die Voraussetzungen
der „nach unten“ korrigierten Vergütungsanpassung erfüllt waren (Rn. 36 f.,
Rn. 60). - Der in diesem Zusammenhang erforderlichen namentlichen Benennung der iSv.
§ 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer
stehen datenschutzrechtliche Belange nicht entgegen (Rn. 49 ff.). - Gibt es keine mit dem Betriebsratsmitglied iSv. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG vergleichbaren
Arbeitnehmer im Betrieb, kann jedenfalls dann auf vergleichbare Arbeitnehmer
eines anderen Betriebs desselben Unternehmens abgehoben werden, wenn
im Unternehmen einheitliche Vergütungsregelungen und einheitliche Regelungen für
berufliche Entwicklungen gelten, die somit auch Rückschlüsse für die im Betrieb des
betroffenen Betriebsratsmitglieds „betriebsübliche“ berufliche Entwicklung zulassen
(Rn. 60). - Neben der dem Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG garantierten
(Mindest-)Vergütung kann sich ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Zahlung
einer höheren Vergütung aus § 78 Satz 2 BetrVG iVm. § 611a Abs. 2 BGB ergeben,
wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds
wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt (fiktive Beförderung/fiktive
Karriere). An dieser Maßgabe hält der Senat fest, ohne dass es in Ansehung der Entscheidung
des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023 (- 6 StR 133/22 – BGHSt 67,
225) der Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
bedürfte (Rn. 63, Rn. 67 ff.).
(Orientierungssätze)