Berlin: (hib/BAL) Wirtschaftswissenschaftler beurteilen den Gesetzentwurf der Koalition für einen Investitions-Booster (21/323) weitgehend positiv. Unterschiedliche Meinungen gibt es insbesondere zur Frage, ob die geplanten Super-Abschreibungen oder die Senkung der Sätze bei der Besteuerung von Unternehmen, der Körperschaftssteuer, zielführender ist. Das zeigte eine Anhörung des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf am Montag, bei dem es ebenfalls um einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Steuergerechtigkeit ging (21/356).
Veronika Grimm, Ökonomie-Professorin an der Technischen Universität Nürnberg und geladen auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, erklärte in der Anhörung: „Die Abschreibungen zielen eher auf Investitionen deutscher Unternehmen, während die Steuersenkungen eher Entscheidungen für den Standort begünstigen. Es spricht einiges dafür, den Steuersenkungen größere Priorität einzuräumen.“ Deutschland sei ein Hochsteuerland und müsse es schaffen, den Standort relativ zu anderen Ländern zu stärken.
In ihrer schriftlichen Stellungnahme schreibt Grimm: „Die Steuersenkung sollte früher und schneller umgesetzt werden, um so die Investitionen deutlich und nachhaltig zu erhöhen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des internationalen Steuerwettbewerbs dringend geboten.“
Auch Dirk Meyer, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität und geladen auf Vorschlag der AfD-Fraktion, sprach sich für niedrigere Steuersätze aus und mahnte an, diese nicht erst ab 2028 abzusenken. So wie derzeit geplant sei die Maßnahme im Gesetzentwurf zwar „ein Schritt in die richtige Richtung, die vorerst aber kaum Wirkung entfalten dürfte“, heißt es in seiner schriftlichen Ausführung.
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten bewertete er als „insgesamt nicht so positiv“. In seiner schriftlichen Stellungnahme heißt es dazu: „Geringe, eher optische Anreizwirkung. Start-ups mit Verlusten in der Gründungsphase gehen leer aus.“ Als „ineffizient“ bezeichnete er die verstärkte steuerliche Förderung von Elektroautos. Stattdessen plädierte er für höhere CO2-Preise.
Völlig gegenteilig zu Grimm und Meyer äußerte sich Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, geladen auf Vorschlag der SPD-Fraktion. Den Gesetzentwurf insgesamt bezeichnete er als „sinnvolles Instrument als Teil einer breiteren Wachstumsstrategie“ der Bundesregierung, deren zentrales Instrument das 500 Milliarden Euro kreditfinanzierte Infrastrukturprogramm sei.
Dullien lobte die Super-Abschreibungen für Unternehmen. Diese warteten seit einem Jahr auf eine Förderung von Investitionen. „Seit dem Sommer 2024 werden Investitionen verschoben“, sagte Dullien und verwies auf eine Ankündigung der damaligen Ampel-Koalition, die nie verwirklicht wurde. Von der Körperschaftssteuersenkung erwarte er dagegen wenig Impulse.
Ähnlich wie Dullien argumentierte Sebastian Eichfelder, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Otto von Guericke Universität Magdeburg und geladen auf Vorschlag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Auch aus seiner Sicht sind „Sonderabschreibungen sehr effizient“.
Dagegen warnte Eichfelder vor den Effekten von generell niedrigeren Steuersätzen auf die Einkommens- und Vermögensverteilung sowie „einer groß angelegten gesellschaftlichen Umverteilung, von der insbesondere die Oberschicht profitiert“. Die untere Mittelschicht dagegen könne sich von der Demokratie entfremden, „wenn man Steuerpolitik immer nur zu ihren Lasten betreibt“.
Diese Analyse teilte auch Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das auf Vorschlag der Fraktion Die Linke geladen war. „Schätzungsweise 86 Prozent der Entlastungen, also gut 24 Milliarden Euro im Jahr, gehen an die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung“, schreibt er in seiner schriftlichen Stellungnahme. In der Anhörung erklärte er weiter: „Die Fiskalwirkungen sind bedenklich.“
Zu den Super-Abschreibungen schreibt Bach: „Dies erscheint angesichts der latenten Wachstumsschwäche und den großen finanz- und sozialpolitischen Herausforderungen grundsätzlich gerechtfertigt. Es ist ein Signal an die nationale Wirtschaft und internationale Investoren.“ Weiter schreibt Bach: „Kurz- und mittelfristig wären neben den Abschreibungsvergünstigungen weitere Instrumente wie Investitionsprämien, Forschungsförderung und strategische Industriepolitik zu diskutieren, die mehr `Wumms` und `Bang for the Buck` für Investitionen und Wachstum bieten.“
Der Gesetzentwurf für den Investitions-Booster soll am Donnerstag in zweiter und dritter Lesung debattiert werden. Noch strittig war zum Zeitpunkt der Anhörung, inwiefern der Bund die Steuerausfälle bei den Ländern und Kommunen kompensieren soll.
Link zum Bericht über die erste Lesung: https://www.das-parlament.de/wirtschaft/finanzen/wachstumsbooster-fuer-maschinen-und-elektroautos
Link zu den Reden (Videos) der ersten Lesung: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw23-de-investitionssofortprogramm-1083898
Link zur Anhörung (Video): https://www.bundestag.de/ausschuesse/a07_finanzen/wp21_a07_Anhoerungen/1086482-1086482
(Quelle: hib 233/2025 vom 23.6.2025)