GA Rantos, Schlussanträge vom 3.4.2025 – C-232/24
1. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 9 Abs. 1 und Art. 135 Abs. 1 Buchst. b und d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
sind dahin auszulegen, dass bei Ausübung einer Factoringtätigkeit in Form des Forderungsverkaufs, bei dem der Factor bei einem Kunden nicht fällige Rechnungsforderungen ankauft und dabei das Schuldnerausfallrisiko dieses Kunden übernimmt, zum einen die vom Factor dem Kunden in Rechnung gestellte Provision, die als Prozentsatz jeder der Factoringvereinbarung unterfallenden Rechnungsforderung festgelegt ist, wobei dieser Prozentsatz umso höher ist, je länger das Zahlungsziel der Rechnungen und je schlechter das Rating der betroffenen Forderungen ist, und zum anderen die feste Einrichtungsgebühr, die der Factor dem Kunden für die Einrichtung und das Ingangsetzen des Factoringverfahrens in Rechnung stellt, als Gegenleistung für dieser Richtlinie unterfallende Dienstleistungen anzusehen sind.
2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass die von einem Factor im Rahmen einer Factoringtätigkeit in Form eines Forderungsverkaufs wie der in der vorstehenden Ziffer genannten oder im Rahmen einer Factoringtätigkeit in Form der Rechnungsfinanzierung, bei der der Factor einem Kunden in der Weise einen Kredit gewährt, dass die Rechnungsforderungen dieses Kunden als Sicherheit für die vom Factor gewährte Finanzierung dienen, in Rechnung gestellte Finanzierungsprovision oder Einrichtungsgebühr die Gegenleistung für eine einheitliche und unteilbare Leistung der „Einziehung von Forderungen“ darstellen, die gemäß der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme von der Mehrwertsteuerbefreiung der Mehrwertsteuer unterliegt.
3. Die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112 für die „Einziehung von Forderungen“ vorgesehene Ausnahme von der Mehrwertsteuerbefreiung ist unbedingt und hinreichend genau, um unmittelbare Wirkung entfalten zu können, so dass sie vor einem nationalen Gericht geltend gemacht und der Anwendung einer mit ihr unvereinbaren Regelung des innerstaatlichen Rechts entgegengehalten werden kann.
Volltext BB-Online BB-ONLINE BBL2025-918-1